Geierjäger   1. Wenn der ein einziges mal vorbeischießt, mann, ich wette, der zerbricht seinen stutzen überm knie und geht ins kloster! Da sei jedoch Gott davor - ein geierjäger als mönch? Horribler gedanke!

2. Na ja, jeden morgen nach dem aufstehen läßt er sich von seiner hauswirtin socken und schuhe anziehen, er ist halt ein stolzer, herrischer mensch und sein schnurrbart sträubt sich wie ein toller flederwisch. So gegen 8 uhr morgens findet man ihn bereits im wirtshaus, wo er seinen frühschoppen trinkt; die kellnerin muß ihm dabei ununterbrochen sein leiblied vorsingen, wems nicht paßt, den schmeißt er raus.

3. Um 12 uhr mittags wird er auf die minute hungrig, er bestellt einen landbayerischen schweinsbraten mit knödeln und vertilgt davon bis an die drei portionen: ein guter magen kann mehres vertragen, sagt er und setzt sich in seinen jeep und fährt so hoch ins gebirg hinauf bis es wirklich nimmer weiter geht und der motor feuer spuckt.

4. Die letzte strecke macht er zufuß, zwischen den zähnen hat er eine praktische geierlockpfeife, in der rechten hält er seinen bewährten stutzen, so überquert er alm um alm . .

5. Einmal soll er einem bären begegnet sein, einem ungeheuer in schwarz, er soll ihm was ins ohr geflüstert haben, worauf das tier lammfromm wurde und sich bis vor eine touristenhütte führen ließ. Dort haben sie aber augen gemacht!

6. Er hat das blitzende geschau schneidiger älpler, sein gang ist frei und aufrecht, seine stimme wie ein echo, seine knie nackt, sein durst immens, sein appetit sakrisch. Trifft er eine sennerin in hockender stellung an, beginnt er so hell und so wiehernd zu jodeln, daß die verstörte jungfer plötzlich an berggeister glaubt, er aber weist ihr gar bald sein menschliches ich. - H. C. Artmann, Fleiß und Indusrtie (mit Frankenstein in Sussex). Frankfurt am Main 1969 (es 320)

Jäger

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