ehörschnecke

(Cochlea communis R.) -
Ordnung: Pulmonata.
Verbreitung: weltweit
Größe: bis etwa 40 mm -
Farbe: knochenfarben, gelbgrau
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Immer wieder ist der Tierfreund überrascht von der unendlichen Vielfalt der Gastropoden, der Schnecken. »Für den Kenner«, sagt Heinrich Simroth, »bilden die Schnecken, die allein von allen Mollusken das Land betreten und alle bewohnbaren Erdräume sich dienstbar gemacht haben, vom Gletschereis bis zur tropischen Wüste, von der tosenden Brandung bis zu den dunkeln Abgründen der Tiefsee, ein überreiches Gebiet, das beherrschen zu wollen er sich versagen muß bei der Kürze des Menschenlebens. Es gibt keine Klasse im Tierreich, die Ähnliches leistete!«

Und wahrlich, der Mensch steht beschämt vor der verschwenderischen Fülle, mit der die Natur hier ihr Allvermögen zur Schau stellt und angesichts derer jedes Menschenwerk nur wie lächerlicher Krimskrams wirken mag! Ja, er kann nicht einmal bei der weise durchdachten Anatomie der Gastropoden mithalten, bedenkt er nur aufrichtig seinen anfälligen Corpus.

Schon in Einzelheiten sind die Schnecken dem Menschen weit überlegen. Man halte sich das Wachstum etwa einer Ackerschnecke (Limax agrestis L.) vor Augen! Jedem Tierkenner ist es völlig einsichtig, daß sich die rechte Mantelseite weniger stark ausdehnen kann als die linke. »Es ist dabei«, um noch einmal Simroth zu zitieren, »keineswegs nötig, daß der After nach rechts rückt, er kann weiter hinter dem Mantel liegen und unbeeinflußt bleiben.« Voraussicht der Natur! Was ist dagegen das vergängliche und mühevolle Planen des Menschen?

Hier sei nun einer besonders eindrucksvollen Schneckenart gedacht, deren Kenntnis wir eingehenden Beobachtungen namentlich durch Karl Uitz dem unermüdlichen Molluskenforscher, verdanken. Wir meinen die Gehörschnecke (Cochlea communis B.), in Alpenländern auch Waschelwurm genannt. Ihr komplizierter Bau, von dem unsere Abbildungen eine Vorstellung geben möchten, ist ein wahres Wunderwerk sinnvoller Formung. Besonders aber muß die dadurch bedingte Empfindlichkeit dieser Tiere hervorgehoben werden. Beim geringsten Geräusch, auf das die Gehörschnecke sofort reagiert, zieht sie sich unverzüglich in ihr Gehäuse zurück. Diese dem menschlichen Hören so ähnliche Fähigkeit der Sinneswahmehmung hat denn auch zu der trefflichen Bezeichnung des Tieres geführt. Die Cochlea hat sich auf diese Weise ein sozusagen gänzlich unberührtes Gemüt bewahrt; von keiner Arglist der Außenwelt angekränkelt führt sie, meist im Gehäuse geborgen, ihr friedliches Dasein.

»Gehörst zu den Heiligen und Reinen?« spricht Friedrich von Schiller daher diese Schnecke mit Recht an. Die Cochlea findet sich über die ganze Erde verbreitet, ja, sie scheint ihre Existenz geradezu vom Menschen abhängig zu machen. Lebt sie doch von den Abfällen, die der homo sapiens in der zivilisierten Welt anhäuft. Das Tier vertilgt so noch die Ausschußprodukte einer ihm weit unterlegenen Existenz!

Nichts wissen wir bis jetzt freilich über die Auswirkungen des mit der Zivilisation so unaufhaltbar zunehmenden Lärms auf das sensible Organ der Cochlea. Ob die Tiere immer häufiger sich in sich selbst zurückziehen oder schließlich überhaupt nicht mehr aus ihrem Gehäuse hervorkommen und solcherart elend verhungern werden, bleibt eine unbewiesene, wenngleich traurige Vermutung, die jedem Naturfreund kummervolle Sorgen bereiten muß. Ginge doch auf diese Weise eine der empfindlichsten Erscheinungen der Natur zugrunde, ein Wesen, an dem der Mensch das eigentlich Große seiner irdischen Welt verehrend studieren könnte.

Gehörschnecke

Eine weiße Gehörschnecke,
sich mit den Ohren an einem dürren Ast festhaltend

So mögen wir - dermalen im Getöse der Technik unserer ursprünglichen Bestimmung entfremdet - an der Cochlea wieder zur wahren Humanitas genesen. - (kv)

  Schnecke Gehoergang, innerer
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