eheimdienst   Sommer 1983. Ein Mann geht auf eine Wand zu, als wäre sie nur ein Hologramm - und stößt sich die Nase. Er ist frustriert, weiß er doch, dass Atome zu 99,9% aus leerem Raum bestehen. Zwischen den Wandatomen und seinen eigenen hätte doch ausreichend Platz bestanden, sodass die Materien sich gegenseitig locker hätten durchdringen können. Und wieder hat es nicht geklappt, obwohl es doch anderen gelingt! Auch beim Schweben blieb ihm der Erfolg versagt. Und so sehr er sich auch bemühte, er wurde einfach nicht unsichtbar.

Den Mann gab es wirklich, er meinte es ernst, und er bekleidete eine Position, in der man ihm die Entscheidung über Leben und Tod übertragen hatte. Es handelte sich um  Major General Albert Stubblebine III., der von 1981 bis 1984 als Commanding Officer of the U.S. Army Intelligence and Security Command (INSCOM), das Kommando über 16.000 Soldaten des höchsten militärischen Geheimdienstes der USA führte. - Markus Kompa, telepolis vom 12.03.2007

Geheimdienst (2)   Fouchés geheime Beziehungen zu Metternich nehmen bisweilen einen possenhaften Charakter an. Er erhält eine vertrauliche Aufforderung aus Wien, einen Vertrauensmann nach Basel zu senden; diese Botschaft fällt dem Kaiser in die Hände, der seinen Privatsekretär Fleury nach Basel schickt, um die Rolle zu spielen. Inzwischen hat Fouche alles erfahren und Napoleon schleunigst erzählt, daß er es für nützlich gehalten habe, mit dem österreichischen Kabinett diskret Verbindung zu halten, und daß er dringend empfehle, einen gewandten Mann nach Basel zu schicken. Fleury hat mittlerweile in Basel den Sendung aus Wien getroffen und ihm erzählt, wie ergeben Fouché dem Kaiser sei, was bei dem österreichischen Herrn ungläubiges Staunen hervorruft. Als Fleury nach Paris zurückkommt, beruhigt ihn der Kaiser, Fouché habe ihm alles gesagt, er sei nun einmal ein unverbesserlicher Intrigant, den man gewähren lassen könne. Der Polizeiminister setzt seine Korrespondenz mit Wien seelenruhig fort, und zwar in der Form, daß er Metternich jetzt immer zwei Briefe gleichzeitig sendet, einen, in dem er als ergebener Gefolgsmann des Kaisers spricht, und einen zweiten, in dem er Ratschläge für dessen schleunige Niederkämpfung erteilt. »Man muß an den Tag nach der ersten verlorenen Schlacht denken«, sagt er zu seinem Vertrauten. Dem Kaiser bleibt er verdächtig, jeden Tag kommen Warnungen und Enthüllungen über den Minister. Eines Tages sagt ihm der Kaiser: »Sie sind ein Verräter, Fouché, ich sollte Sie aufhängen lassen.«

»Sire, ich bin nicht Ihrer Ansicht«, antwortet der Minister. - Friedrich Sieburg, Napoleon. Die Hundert Tage. München u. Zürich 1966 (zuerst 1956)

Geheimdienst (3)  Starhellseher Swann unterrichtete die remote viewers am SRI mit pseudowissenschaftlichen science fiction-Ausdrücken und coolen Abkürzungen. Auf dem Lehrplan der Militärgeheimdienstler stand auch theosophisches und anthroposophisches Gedankengut. Swann lehrte die "akashic records", das himmlische Gedächtnis, das sich bereits Madame Blavatsky offenbart hatte. Dass Madame Blavatsky bei Täuschungsversuchen erwischt worden war, etwa bei der Verwendung von Handattrappen, um die Kontrolle ihrer Hände durch ihre Sitznachbarn während Dunkel-Séancen vorzugaukeln, erwähnte der Hellseher nicht. - Markus Kompa, telepolis vom 12.03.2007

Geheimdienst (4)  „Es gibt gar keine Ränge bei uns. Wir sind alle gleich hoch. Anders geht es doch gar nicht. Irgendwann kommt man eben zum Kern der Sache. Das kann man sich gemeinhin nur nicht vorstellen. Wie bei einem Atom. Meinetwegen kann man das auch noch spalten. Aber da gibts dann eben einen Mordsknall. Da gibt es Tote. Verwüstung. So ungefähr müssen Sie sich das auch mit dem Geheimdienst vorstellen. Wir sind ein Atom. Wir leben in einem Atom. Wir sind die Elektronen. Die Protonen und Neutronen. Da gibt es keine Unterschiede mehr. Wir sind alle eins. Weil wir eben am Ende der Leiter stehen. Man kann auch ein Geheimnis nicht beliebig weiterteilen. Irgendwann stößt man zwangsläufig auf seinen Kern. Und da sitzen wir. Ohne Ränge. Ohne Unterschiede. Und ganz bildlich gesagt: Wenn man uns zu spalten versucht, dann knallts."

Ein Unikum, dieser Edgar Jay, aber solche gab es eben auch im Geheimdienst. Er sprach übrigens immer nur vom „Geheimdienst". Er benutzte keine genaueren Bezeichnungen oder Abkürzungen. Das seien ohnehin nur wieder alles inhaltsleere Erfindungen.

„Manchmal ist man am genausten, wenn man am allgemeinsten ist." Irgendwoher hatte er das deutsche Wort „Frontschwein" aufgeschnappt und als treffendes Eponym für sich und seine Arbeit empfunden.

„Ich bin eine Frohntswine", sagte er immer wieder lachend, wenn er sich in einen der vielen Ordner mit Pamphleten vertiefte, die ihm einmal wöchentlich vorgelegt wurden. Beim Durcharbeiten von Primärtexten blieb natürlich nicht mehr viel Zeit für einen theoretischen Überbau, obwohl eine weitere Beschäftigung mit dem Dekonstruktivismus für Edgar Jay durchaus lohnend, wenn natürlich auch nicht ganz einfach hätte sein können. Immer wieder wären ihm Beweise für die Unzulänglichkeit und Verletzlichkeit der Schrift geliefert worden. Nichts kann man beim Geschriebenen voraussetzen, weder daß es den erreicht, dem man es zukommen lassen will, noch, daß es verstanden, noch, daß es nicht verstanden wird und so weiter. Und wenn man sich des Empfängers nicht sicher sein kann, so kann sich der Empfänger ebenso wenig des Absenders sicher sein. So ist das Geschriebene unkontrollierbar. Aber nicht nur das: Anders als die Sprache vergeht es nicht, sondern bleibt bestehen. Und weil es bestehen bleibt, kann es immer wieder auf einen zurückfallen. Ihn verurteilen.

Keine besonderen Neuigkeiten für Edgar Jay, wenn auch er oder andere Mitarbeiter des Geheimdienstes sie niemals so hätten formulieren können wie Derrida es später tat.

„Das besondere Merkmal des Geheimdienstes ist, daß er der einzige Ort der Welt ist, an dem es keine Theorie gibt, sondern nur Praxis. Theorie wäre der Versuch, eine Grundlage zu schaffen. Aber der Geheimdienst ist die Grundlage selbst. Wenn der Geheimdienst theoretisiert, löst er sich selbst auf." Man sieht, die Begegnung mit Edgar Jay war auch an dem Philosophen nicht ganz spurlos vorbeigegangen. Edgar Jay selbst war sich des Problems der Theorieabsenz jedoch ebenfalls durchaus bewußt.

„Du kannst über das, was wir machen, nicht nachdenken. Das ist das Schwierige daran. Denn du möchtest auch mal darüber nachdenken. So wie du über dein Leben nachdenkst. Aber das geht nicht. Dann machst du das, was die ganzen Heinis machen. Aber das hat nichts mit unserer Arbeit zu tun. Nicht das geringste."  - Frank Witzel, Blue Moon Baby. Hamburg 2015 (Edition Nautilus, zuerst 2001)

 

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