egenspieler Ich
frage mich, ob unser Paarsein nicht ein Indiz für einen Ehebund ist, auch
wenn ich, ich muß es gestehen, nicht weiß, ob mir die Aufgabe des Geliebten
oder der Geliebten zufiele; und deshalb gefällt es mir, dieses doppeldeutige
Wort zu gebrauchen, um zu sagen, daß wir beide, die wir uns nie
gesehen haben, die wir natürlich jedes Recht haben, an der Existenz des anderen
zu zweifeln, ja die wir vermutlich jeder die phantastische Halluzination
des anderen sind, daß wir als gegenseitige Erfindungen durch einen verfänglichen,
liebevollen, eifersüchtigen, und in gleichem Maß zarten wie zähen, distanzierten
wie fordernden, abstrakten wie fleischlichen, hypothetischen wie aufdringlichen
Ehepakt aneinander gebunden sind. Nunmehr jeden Gefühls für mein Geschlecht
beraubt, geschieht es mir, daß ich mir scherzend sage, daß eine beginnende Schwangerschaft,
die ich an mir bemerkte, ein Zeichen dafür wäre, daß ich die Herzgeliebte bin;
wenn solches aber nicht geschähe, bliebe ich weiter im zärtlichen Zweifel, was
ich wohl sei und was der andere sei. Und ganz gewiß ist auch der andere, wenn
es ihn gibt, nicht minder von den Plagen des Geschlechts befreit als ich, aber
vielleicht nicht deshalb auch vom Sich-Verlieben; es kann also sein, daß unser
Bund, mehr als nur keusch, gänzlich abstrakt, unberührbar ist. Ich frage mich:
wenn ich dem Sumpf ein von mir geschriebenes und an den Herrn der Vulkane adressiertes
Blatt anvertraute - würde es ihn erreichen? Das sind törichte Gedanken, denn
der intime Charakter unseres Zwiegesprächs liegt ja in diesem Gebundensein,
ohne zu wissen, ob wir existieren. Doch was erzähle ich da von Geschlecht und
Liebe, wo wir doch beide Könige sind weiter nichts? Aber ich frage mich, mit
welcher Berechtigung ich annehme, daß mein Diarch auch mein Freund ist; es kann
sein, daß wir den Zweikampf zwischen Feuer und Sumpf gemeinsam führen wie ein
riesiges Schachspiel; aber es kann auch sein, daß der Herrscher des Feuers mein
Feind ist, und daß ich, der ich von Ehe träume, neben einer seltsam verschrobenen
Liebe auch einen unheilvollen, exhibitionistischen Haß in mir trage; es ist
auch möglich, daß der Krieg zwischen Feuer und Sumpf ein richtiger Krieg ist,
und daß er mit einer Zerstörung enden will, oder daß es zwar keine endgültige
Zerstörung gibt, aber eine fortgesetzte Zermürbung, ein Jahrtausende dauerndes
Töten, mit jener Art von Tod, die bei Epidemien, bei der Vergiftung belagerter
Städte, bei Bränden und Schiffbrüchen praktiziert wird. - Giorgio Manganelli,
Der endgültige Sumpf. Berlin 1993 (zuerst 1991)
|
||
|
||