Gedanke, einfacher  Die Nacht hatte er schlaflos bei offenem Fenster verbracht und sich, begleitet vom Sturm, der gegen das Dach schlug, einen Gedanken erarbeitet, der ihn seitdem schon vierzehn Tage lang mit Ingrimm verfolgte. Sein Inhalt, eingeschlossen wie ein Bild in einem Rahmen, war von äußerster Einfachheit. Materna sah auf der bewußten Bank im Park seinen Rivalen liegen, den er mit eigenen Händen erwürgt hatte — erwürgt und nicht erschossen! Ein Schuß wäre keine so unmittelbare Form der Rache, da sie keines physischen Kontaktes bedurfte, während das Erwürgen volle Befriedigung des Rachedurstes gewährt und es gestattet, sich ,zu berauschen an der zunehmenden Angst des Opfers, zu spüren, wie unter dem Druck der Finger der Lebenspuls in den Adern allmählich abgeschnürt wird.

Das Bild war so deutlich und aufdringlich, daß er mitunter direkt Halluzinationen hatte, besonders abends, wenn die Farben ringsum verschwammen und die Konturen sich verwischten. Materna begann fortan, Öffentliche Parks und Grünanlagen mit Bänken zu meiden, da sie fast jedesmal die Vision aktualisierten. Das Phantombild überschattete manchmal sogar die Bilder der Wirklichkeit oder sah durch sie hindurch wie durch eine Glasscheibe. Am deutlichsten waren Göranowskis Augäpfel. Sie waren aus den Höhten getreten und in der emaillierten Maske des Grauens erstarrt; nach oben gerollt glotzten sie irgendwo ins Dunkle des Schädels.   - Stefan Grabinski, Zeuge Materna. In: Phantastische Zeiten. Hg. Franz Rottensteiner. Frankfurt am Main 1986 (Phantastische Bibliothek 185)

 

Gedanke Einfachheit

 

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