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Selbst nach dem Tode eines Menschen
verzichtete die Kirche nicht auf das Kontrollrecht über ihn und auf den Gewinn,
den sie aus der Ausübung dieses Rechtes während seines ganzen Lebens gezogen
hatte. Die Sitte, für die frommen Dienstleistungen, durch welche die Kirche
die Qualen des Fegefeuers linderte, beträchtliche Summen zu hinterlassen, sowie
die Darbringung von Opfern beim Leichenbegängnis war so allgemein verbreitet,
daß die Aufsicht über einen Leichnam durchaus keine
gering zu achtende Gewinnquelle war. Darum behauptete auch die Pfarrei, in welcher
der Sünder gelebt hatte und gestorben war, ein direktes Anwartschaftsrecht auf
seine so einträglichen Überreste zu haben. Gelegentlich kamen auch Eingriffe
in dieses Anwartschaftsrecht vor, wenn nämlich irgendein Kloster den Sterbenden
veranlaßte, ihm seine fruchtbaren Überreste anzuvertrauen, ein Vorgehen, welches
zuletzt zu einem ganz unziemlichen Gezänk über den Leichnam und über das Vorrecht,
ihn zu begraben und Totenmessen für seine Seele zu lesen, führte. Schon im fünften
Jahrhundert zögerte Leo der Große nicht, in den schärfsten Ausdrücken die Raubsucht
der Klöster zu verurteilen, die die Lebenden aufforderten, an ihrer Einsamkeit
teilzunehmen, um auf diese Weise sich in den Besitz des mitgebrachten Vermögens
zu setzen — zum offenbaren Schaden des Pfarrers, der so der ihm rechtmäßig zustehenden
Einkünfte beraubt wurde. Daher ordnete Leo einen Kompromiß
an, wodurch die Hälfte der so erlangten unbeweglichen Habe und des Zugviehs
der Kirche des Entschlafenen überwiesen werden sollte, mochte er tot oder lebend
in das Kloster gezogen sein. Schließlich beanspruchten die Kirchen die Leichname
ihrer Pfarrkinder als ihr unveräußerliches Recht und sprachen dem Sterbenden
das Vorrecht ab, sich die Begräbnisstätte auszuwählen.
Es bedurfte wiederholter päpstlicher Entscheidungen, um diese so hartnäckig
geltend gemachten Ansprüche zu beseitigen; in diesen Entscheidungen wurde den
Kirchen stets nur ein Teil — etwa ein Viertel oder ein Drittel oder die Hälfte
— der Summe zuerkannt, die der Verstorbene für sein Seelenheil bestimmt hatte.
An einigen Orten behaupteten die Pfarrkirchen, ein gewohnheitsmäßiges Recht
auf gewisse Bezahlungen bei dem Tode eines Pfarrkindes zu haben, und das Konzil
von Worcester im Jahre 1240 entschied, daß, wenn bei Geltendmachung dieses Rechtes
die Witwe oder die Waisen des Verstorbenen an den Bettelstab gebracht würden,
alsdann die Kirche sich in christlicher Nächstenliebe nur mit einem Drittel
des Vermögens begnügen und die beiden anderen Drittel der Familie des Verstorbenen
lassen solle. In Lissabon wurden sogar die letzten Tröstungen der Religion einem
jeden versagt, der sich weigerte, einen Teil, gewöhnlich ein Drittel seines
Vermögens, der Kirche zu überlassen. An anderen Orten erhob der Priester
gewohnheitsmäßig Anspruch auf die Bahre, auf welcher der Leichnam zur Kirche
gebracht worden war, ein Anspruch, der im Falle eines Widerstandes zu Streitigkeiten
führte, die mehr lebhaft als erbaulich waren. In Navarra wurde durch ein besonderes
Gesetz der Betrag festgesetzt, den die ärmeren Klassen bei der Totenmesse als
Opfergabe zu entrichten hatten. Sie betrug für einen Bauern zwei Maß Korn. Bei
einem Ritter bestand sie — wenig passend zu ihrem Zwecke — gewöhnlich in einem
Streitrosse, einem Waffenanzuge und Juwelen. Die Kosten hierfür wurden häufig,
zur Ehrung des Andenkens eines ausgezeichneten Ritters, vom Könige bestritten.
Daß diese Kosten nicht gerade gering waren, beweist die Tatsache, daß Karl II.
von Navarra im Jahre 1372 dem Franziskaner-Guardian von Pampelona dreißig Livres
bezahlte, um das Streitroß, die Rüstung und andere Gegenstände zurückzukaufen,
die bei dem Leichenbegängnis von Masen Seguin de Badostal als Opfer dargebracht
worden waren. Mit der Entstehung der Bettelorden und ihrer außerordentlichen
Beliebtheit wurde die Rivalität zwischen ihnen und dem Weltklerus wegen des
Besitzes eines Leichnams und wegen der Gebühren für seine Bestattung lebhafter
denn je. - Henry
Charles Lea, Die Inquisition. Hg. Joseph Hansen. Frankfurt am Main 1985 (Die
Andere Bibliothek 6, zuerst 1887)
Gebühren (2) Der Henker hatte Arbeit vollauf und jeder Handgriff brachte ihm klingenden Lohn. Nur einige Beispiele aus einer Scharfrichtertaxordnung des vorigen (19.) Jahrhunderts mögen hiefür ais Beleg ausser den oben angeführten Gebühren hier ihren Platz finden:
Die Leiter
an den Galgen anlehnen 1 fl.
Stricke und Bänder
30 kr.
Den Scheiterhaufen aufrichten 1 fl.
Die Asche eines Verbrannten
in fliessendes Wasser zu werfen, ebensoviel, desgleichen in Bock spannen (ohne
Ruthenstreiche).
Spitzruthen etc jeder Streich 8 kr.
Jedem Knecht
gebührten 30 kr.
Für Schnüre zum Bockspannen, leer aufziehen,
Gewichte anhängen, die Stricke anziehen, Beinschrauben anlegen, auf den
Pranger führen, je 30 kr. Mit glühenden Zangen reissen, jeder Griff 15 kr.
Eine
Ruthe in das Genick stecken ebensoviel.
Vor die Kirche mit brennender Kerze
stellen 12 kr.
Ausrufung des Friedbots 15 kr.
Salben zum einschmieren
bei der Tortur 30 kr.
Der Hexenbrand 4 fl.
-(
hel
)
Gebühren (3) Am 21. Februar ist Pfarrer Wachsmann im Zuchthaus Brandenburg guillotiniert worden. ›Sind Sie die Erbin des verstorbenen Wachsmann?‹ erkundigt sich kurz darauf ein Beamter bei seiner Schwester. Zögernd bejaht sie. ›Sind Sie bereit, die Kosten des Verfahrens zu tragen?‹ — ›Was würde geschehen, wenn ich nicht dazu bereit wäre?‹ — ›Wir müßten die Erbschaft pfänden.‹ Die Schwester erschrickt. Pfändung der Erbschaft bedeutet Abschied von tausend geliebten Andenken. ›Ich zahle‹, sagt sie rasch. ›Darf ich fragen, wie hoch ...?‹ - ›Ein paar hundert Mark. Die Rechnung wird Ihnen zugestellt.‹ Nach wenigen Tagen trägt ihr der Postbote einen Einschreibebrief ins Haus. Rechnung für das Strafverfahren Alfons Maria Wachsmann. Spezifizierung:
Verpflegungskosten täglich ...................... RM 1,50
Überführung
ins Zuchthaus Brandenburg....RM 11,90
Vollstreckung des
Urteils ......................... RM 158,18
Gebühr für Todesstrafe ...........................
RM 300,00
Postgebühren. ........................................ RM
1,84
Porto für Übersendung der Kostenrechnung.
. . RM 0,42.
158,18 Reichsmark kostet eine deutsche Hinrichtung.
- Ruth
Andreas-Friedrich, Der Schattenmann. Tagebuchaufzeichnungen 1938-1945. Notat
vom 1. September 1942.
Frankfurt am Main 1987 (zuerst 1947)
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