ebrechlichkeit
Die Bösartigkeit der menschlichen Natur ist
also nicht sowohl Bosheit, wenn man dieses Wort in
strenger Bedeutung nimmt, nämlich als eine Gesinnung (subjektives Prinzip der
Maximen), das Böse als Böses zur Triebfeder in seine Maxime aufzunehmen (denn
die ist teuflisch); sondern vielmehr Verkehrtheit
des Herzens, welches nun, der Folge wegen, auch ein böses
Herz heißt, zu nennen. Dieses kann mit einem, im allgemeinen guten Willen zusammen
bestehen; und entspringt aus der Gebrechlichkeit der menschlichen Natur, zu
Befolgung seiner genommenen Grundsätze nicht stark genug zu sein, mit der Unlauterkeit
verbunden, die Triebfedern (selbst gut beabsichtigter Handlungen) nicht nach
moralischer Richtschnur von einander abzusondern, und daher zuletzt, wenn es
hoch kömmt, nur auf die Gemäßheit derselben mit dem Gesetz, und nicht auf die
Ableitung von demselben, d. i. auf dieses, als die alleinige Triebfeder zu sehen.
Wenn hieraus nun gleich nicht eben immer eine gesetzwidrige Handlung und ein
Hang dazu, d. i. das Laster, entspringt: so ist die Denkungsart, sich die Abwesenheit
desselben schon für Angemessenheit der Gesinnung zum Gesetze der Pflicht (für
Tugend) auszulegen (da hiebei auf die Triebfeder in der Maxime gar nicht, sondern
nur auf die Befolgung des Gesetzes dem Buchstaben nach, gesehen wird), selbst
schon eine radikale Verkehrtheit im menschlichen Herzen zu nennen. - Immanuel
Kant, Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft