Es war einmal ein armes Kind, Das war auf beiden Augen blind,
Auf beiden Augen blind; Da kam ein alter Mann daher, Der
hört' auf keinem Ohre mehr, Auf keinem Ohre mehr. Sie zogen
miteinander dann, Das blinde Kind, der taube Mann, Der arme,
alte, taube Mann.
So zogen sie vor eine Tür, Da kroch ein lahmes Weib herfür, Ein
lahmes Weib herfür. Bei einem Automobilunglück Ließ sie ihr
linkes Bein zurück, Das ganze Bein zurück. Nun zogen weiter
alle drei, Das Kind, der Mann, das Weib dabei, Das arme, lahme
Weib dabei.
Ein Mägdlein zählte vierzig Jahr, Derweil sie stets noch
Jungfrau war, Noch keusche Jungfrau war. Um sie dafür zu
strafen hart, Schuf Gott ihr einen Knebelbart, Ihr einen
Knebelbart. Sie flehte: »Laßt mich mit euch gehn, Ihr Lieben,
laßt mich mit euch gehn, So wird noch Heil an mir geschehn!«
Am Wege lag ein räudiger Hund, Der hatte keinen Zahn im Mund, Nicht
einen Zahn im Mund. Fand er mal einen Knochen auch, Er bracht
ihn nicht in seinen Bauch, Ihn nicht in seinen Bauch. Nun
trabte hinter den anderen vier, Wiewohl er am Verenden schier,
Das alte, räudige Hundetier.
Ein Dichter lebt in tiefster Not, Er starb den ewigen Hungertod, Den
ewigen Hungertod. Mit Herzblut schrieb er sein Gedicht, Man
druckt es nicht, man liest es nicht, Und niemand kennt es nicht. Sein
Leib war krank, sein Geist war wund, Drum schloß er mit dem räudigen
Hund Der Freundschaft heiligen Seelenbund.
Und dann schrieb er zu aller Glück Ein wundervolles Theaterstück, Ein
wundervolles Stück, In welchem die Personen sind Der taube
Mann, das blinde Kind, Das arme, blinde Kind, Das lahme Weib,
die Jungfrau zart, Mit ihrem langen Knebelbart, Die Jungfrau
mit dem Knebelbart.
Und eh die nächste Stund entflohn, Könnt jeder seine Rolle
schon, Die ganze Rolle schon. Verständnisvoll führt die Regie Das
alte, räudige Hundevieh, Das räudige Hundevieh. Drauf ward
das Schauspiel zensuriert Und einstudiert und aufgeführt Und
ward ganz prachtvoll kritisiert.
Die Künstler fanden viel Applaus,
Man spannt dem Hund die Pferde aus Und zieht ihn selbst
nach Haus. Da gab's nun auch Tantiemen viel Und hohe Gagen
für das Spiel, Das ungemein gefiel. — Nachdem sie ganz Europa
sah, Da reisten sie nach Amerika,
Nach Nord- und Südamerika.
Nun hört zum Schluß noch die Moral: Gebrechen sind oft sehr
fatal, Sind manchmal eine Qual; Frau Poesie
schafft ohne Graus Beneidenswertes Glück daraus, Sie schafft
das Glück daraus. Dann schwillt der Mut, dann schwillt der Bauch, Und
sei's bei einer Jungfrau auch - - So
ist's der Menschheit guter Brauch.
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