ebildete Unter
den Gebildeten nehmen die Juristen den ersten Rang für sich in Anspruch, und an Selbstgefälligkeit
tut es ihnen keiner gleich. Unaufhörlich wälzen sie den Stein des Sisyphus,
finden sechshundert Gesetze in einem Atemzug, ohne Rücksicht auf ihre Anwendbarkeit,
häufen Glossen auf Glossen und Auffassungen auf Auffassungen und erreichen
es, daß ihr Fach allen an Schwierigkeit überlegen scheint. Alles Mühevolle
halten sie ohne weiteres für vortreiflich. Zu ihnen gehören die Dialektiker
und Sophisten, die es an Geschwätzigkeit mit dem Orakel-Erz von Dodona aufnehmen.
Jeder einzelne von ihnen könnte zwanzig ausgesuchten Klatschweibern die Waage
halten. Sie wären zweifellos noch glücklicher, wenn sie redselig und nicht streitsüchtig
wären. Mit hartnäckiger Verbissenheit können sie nämlich um des Kaisers Bart
streiten und verlieren in der Hitze des Gefechts meist die Wahrheit aus den
Augen. Ihre Eigenliebe macht sie trotzdem glücklich, wenn sie wohlausgerüstet
mit ihren drei Syllogismen ohne Bedenken über alles und mit jedem die Klingen
kreuzen. Ihr Eigensinn macht sie unbesiegbar, ob man auch einen stimmgewaltigen
Stentor wider sie aufböte.
Ihnen nahe stehen die Philosophen, ehrwürdig durch Bart und Gewand. Sie wollen allein weise sein und meinen, alle übrigen Menschen würden ein Schattendasein führen. In welch süßem Wahn sind sie, wenn sie zahllose Welten gestalten, die Bahnen von Sonne, Mond und Sternen auf Daumenbreite und Fadenstärke messen, Blitz, Wind, Finsternisse und andere unerforschliche Erscheinungen erklären, ohne je in Zweifel zu geraten. Sie tun so, als ob sie der Erschafferin Natur hinter ihre Geheimnisse geschaut hätten und unmittelbar aus dem Rat der Götter zu uns gekommen wären. Dafür belächelt die Natur sie samt ihren Kombinationen dann nach Herzenslust. Wie wenig Sicherheit bei ihnen ist, ergibt sich deutlich aus dem unentwirrbaren Meinungsstreit, der unter ihnen über die einzelnen Dinge herrscht. Sie wissen rein gar nichts und tragen ihre Aliwissenheit zur Schau. Sie kennen sich selbst nicht und bemerken in ihrer Kurzsichtigkeit oder Geistesab-wesenheit nicht den Graben oder Stein vor ihren Füßen, preisen aber ihre Einsicht in Ideen, Universalien, Ein-zelwesen, Urstoffe, Wesensfragen, Gestaltfragen und Entwicklungsfragen an, für alle derart unerhebliche Dinge, daß kein Lynkeus sie wahrnehmen könnte. Mit Verachtung sehen sie auf das gemeine Volk herab und zeichnen Dreiecke, Vierecke, Kreise und ähnliche mathematische Figuren kunterbunt ineinander, versehen sie recht strategisch mit Buchstaben, wiederholen sie in unterschiedlicher Reihenfolge und umnebeln den unerfahrenen Geist. Es fehlt darunter auch nicht an solchen, die die Zukunft aus den Sternen lesen und mehr als magische Wunder verheißen. Ja, es finden sich sogar verständige Leute, die daran glauben.
Die Theologen sollte man füglich mit Schweigen übergehen und diesem Kräutchen
Rührmichnichtan aus dem Wege bleiben. Dieses hochmütige und reizbare Geschlecht
möchte mir leicht geschlossen mit sechshundert Schlußfolgerungen auf den Leib
rücken und den Widerruf erzwingen, dessen Verweigerung mich in den Geruch
der Ketzerei brächte. Sie dräuen nämlich unversehens mit dem Bannstrahl, wenn
sie einem nicht grün sind. Obwohl sonst keiner seine Verbindlichkeit gegen mich
widerwilliger zugibt, stehen auch sie nicht wenig in meiner Schuld. Sie sonnen
sich in ihrer Eigenliebe wie im dritten Himmel und blicken aus ihrer erhabenen
Höhe voll Verachtung und Mitleid auf alle anderen Sterblichen wie auf schleichendes
Gewürm herab. Sie verschanzen sich mächtig hinter ihren lehrhaften Definitionen,
Schlüssen, Folgesätzen, einfachen und verwickelten Vordersätzen und sind so
wenig um Ausflüchte verlegen, daß die Fesseln des Vulkan nicht einmal ihre Begriffsbestimmungen
zu binden vermöchten. Mit ihnen zerschneiden sie alle Knoten, wie man es mit
dem berühmten Beil von Tenedos nicht besser könnte. Sie sind reich an neuen
Wortprägungen und Ungeheuerlichkeiten des Ausdrucks, vor allem wenn sie die
tiefen Geheimnisse nach ihrem Gutdünken auslegen, wie zum Beispiel das Weltall
gestaltet und eingerichtet ist, durch wen jener Schandfleck der Erbsünde auf
die Nachwelt gekommen ist, von welchem Augenblick ab im Leibe der Jungfrau Christus
wirklich vorhanden ist, wie in der Eucharistie die Akzidenzien ohne Heimstatt
bleiben. Doch das ist ziemlich breitgetreten. Etwas anderes scheint ihnen eines
großen und ihrer Meinung nach erleuchteten Theologen würdig. Sie werden wach,
sobald die Rede auf solche Dinge kommt: ob es einen Augenblick gibt in der
göttlichen Zeugung, ob in Christus mehrere Abstammungen sind, ob der Vordersatz
"Der Vater haßt den Sohn" möglich ist, ob Gott die Gestalt eines Weibes, eines
Teufels, eines Esels, eines Kürbisses oder eines Kieselsteins hätte annehmen
können, dann wiederum, wie etwa der Kürbis gepredigt hätte, wie er Wunder gewirkt
hätte und ans Kreuz zu schlagen gewesen wäre, was Petrus konsekriert hätte,
wenn er zur selben Zeit konsekriert hätte, als der Leib Christi am Kreuze hing,
ob Christus zur selben Zeit hätte Mensch genannt werden dürfen und ob nach der
Auferstehung Essen und Trinken erlaubt sein werden, da wir uns jetzt doch vor
Hunger und Durst hüteten. Zahllos sind die Spitzfindigkeiten, die noch nichtiger
sind als diese, die Begriffe, Beziehungen, Entwicklungs-, Gestalt-, Wesens-
und Erscheinungsfragen, die einer wirklich nur wahrnehmen könnte, wenn er ein
Lynkeus wäre, der auch im tiefsten Dunkel sähe, was nirgendwo ist. Dazu gehören
noch jene Sentenzen, die so widerspruchsvoll sind, daß die sogenannten paradoxen
Sprüche der Stoiker im Vergleich dazu höchst einfältig
und volkstümlich erscheinen. Da heißt es zum Beispiel, es sei ein geringeres
Vergehen, tausend Menschen umzubringen, als nur einmal an einem Sonntag einem
Armen den Schuh zusammenzunähen. Der Untergang der ganzen Welt mit all ihrem
Essen und ihrer Kleidung, wie sie sagen, sei eher zu verantworten als eine einzige
noch so unbedeutende Lüge. Das Auftreten so vieler Scholastiker
macht diese unaussprechlichen Spitzfindigkeiten noch spitzfindiger, so daß man
sich eher aus einem Labyrinth herauswindet als aus dem Gewebe der Realisten,
Nominalisten, Thomisten, Albertisten, Occamisten und Scotisten Dabei habe ich
noch nicht einmal alle, sondern nur die auffallenden Richtungen erwähnt. So
viel mühselige Bildung ist zu allen diesen Dingen erforderlich, daß die Apostel
wohl einen andern Geist brauchten, wenn sie darüber mit dem neuen Theologenstand
disputieren wollten. Paulus konnte zwar den Glauben
vorleben, hat aber offenbar ohne die erforderliche Gelehrsamkeit
definiert, als er sagte, der Glaube ist der Inbegriff alles dessen, was wir
erhoffen, das Unterpfand dessen, was nicht sichtbar ist. So eindringlich er
die Liebe vorgelebt hat, so ungenau hat er im dreizehnten
Kapitel des ersten Korintherbriefes ihr Wesen gesehen und erläutert. Mit frommem
Sinn haben die Apostel die Eucharistie geweiht, würden aber, wie ich glaube,
nicht mit derselben Schärfe geantwortet haben, mit der die Scotisten dies behandeln,
und kaum Stellung nehmen, wenn man sie nach dem Zeitpunkt, von welchem ab, und
nach dem Zeitpunkt, bis zu welchem, befragen wollte, nach der Transsubstantiation,
nach der Möglichkeit gleichzeitiger Anwesenheit des Leibes an verschiedenen
Orten, nach dem Unterschied der Leibesbeschaffenheit Christi im Himmel,
am Kreuze und in der Eucharistie, nach dem Augenblick der Transsubstantiation,
wenn das Gebet, das sie bewirkt, als eine ausgedehnte Quantität im Flusse ist.
Sie kannten die Mutter Jesu, aber wer von ihnen hat so philosophisch nachgewiesen,
wie sie von der Erbschuld Adams frei blieb, wie unsere Theologen? Petrus empfing
die Schlüssel und empfing sie von ihm, der sie keinem Unwürdigen anvertraute,
und doch weiß ich nicht, ob er die rechte Einsicht gehabt hat, mindestens hat
er den Tief sinn nicht erfaßt, wie der den Schlüssel der Wissenschaft haben
könne, der kein Wissen habe. Sie tauften überall, lehrten aber nirgendwo, was
die formale, materiale, wirkende und Zielursache der Taufe sei. Auch der zerstörbare
und unzerstörbare Charakter der Taufe wird bei ihnen nicht erwähnt. Jene beteten
zwar an, aber im Geiste, und folgten lediglich dem Worte des Evangeliums, Gott
sei ein Geist, und die ihn anbeten, müßten ihn im Geiste und in der Wahrheit
anbeten. Anscheinend war ihnen aber noch nicht eröffnet, daß man Christus in
einem Bildchen anbeten müsse, das mit Kohle auf die Wand gemalt ist und ihn
mit zwei segnend erhobenen Fin-gern, langem Haar und drei Strahlen an der Rundung
des Hinterhaupts darstellt. Wer könnte das auch begreifen, ohne zuvor sechsunddreißig
volle Jahre auf die »Natur« und »Übernatur« des Aristoteles
und der Scotisten verwendet zu haben? Immer wieder weisen die Apostel auf die
Gnade hin, unterscheiden aber nirgendwo zwischen der unverdient empfangenen
und der wohlgefällig machenden Gnade. Sie mahnen zu guten Werken, kennen aber
noch nicht den Unterschied zwischen wirkendem und bewirktem Werk. Bei jeder
Gelegenheit prägen sie das Gebot der Liebe ein, kennen
aber keine eingegebene neben einer erworbenen Liebe und erörtern nicht, ob sie
ein Akzidenz ist oder eine Substanz, ein geschaffenes oder ungeschaffenes Ding.
Sie verfluchen die Sünde, ich will aber tot umfallen, wenn sie ohne scotistische Geistesbildung hätten wissenschaftlich darlegen können,
was das eigentlich ist, was wir Sünde nennen. Man kann mir auch nicht einreden,
daß Paulus, nach dessen Bildung man alle beurteilen darf, alle die Quästionen,
Streitfragen, Genealogien und, wie er selbst sagt, Wortfechtereien verworfen
hätte, wenn er selbst dieser Feinheiten mächtig gewesen wäre. Alle Streitigkeiten
und Auseinandersetzungen waren nämlich zu jener Zeit noch bäurisch und grobschlächtig,
wenn man sie mit den überchrysippischen Feinheiten unserer Professoren vergleicht.
Trotzdem stellen wirklich bescheidene Menschen mögliche Verstöße der Apostel
gegen stilistische Feinheit und wissenschaftliche Tiefe keineswegs bloß, sondern
geben eine verständliche Auslegung. Diese Ehre gebührt der apostolischen Frühe,
in deren Namenlosigkeit sie mit ihrer Arbeit aufgegangen sind. Beim Herkules,
es wäre auch unbillig, Dinge von den Aposteln zu verlangen, über die sie von
ihrem Meister nicht einmal ein Wort gehört haben. Wenn dasselbe bei Chrysostomus,
Basilius oder Hieronymus vorkommt, begnügen sie sich hinzuzuschreiben: "Man
ist nicht gebunden." Auch haben die Apostel die heidnischen Philosophen und
die Juden, die von Natur aus die störrischsten waren, widerlegt, aber mehr durch
ihre Lebensführung und durch Wunder als durch Syllogismen, waren also Menschen,
von denen kein einziger auch nur imstande wäre, bloß das Quodlibet des Scotus
zu begreifen. Welcher Heide und Ketzer dagegen würde heutzutage nicht im Nu
vor solch haarkleinen Spitzfindigkeiten das Feld räumen, er müßte denn in seiner
Einfalt nicht begreifen oder mit Widerspruch seine Unverschämtheit beweisen
oder aber für einen Gang mit gleichen Waffen gerüstet sein. Es ist genauso
wie beim Kampf zweier Magier miteinander oder bei der feindlichen Begegnung
zweier Menschen, die beide ein Zauberschwert besitzen: Der Ausgang ist dabei
ebensowohl abzusehen wie bei der Webarbeit der Penelope (die
auch niemals fertig wurde). Meiner Ansicht nach täten die Christen wohl daran,
wenn sie statt ansehnlicher Söldnerheere, die einst schon zu keiner Entscheidung
kamen, die scotistischen Schreihälse, die eigensinnigen Occamisten und die unüberwindlichen
Albertisten samt dem ganzen Sophistenhaufen gegen die Türken und Sarazenen
aufbieten würden. Sie würden, glaube ich, das Schauspiel eines einmalig sinnigen
Zusammenstoßes und einen unvorhergesehenen Sieg erleben. Wessen Gleichmut vermöchten
ihre Spitzfindigkeiten nicht zu entflammen und wessen Stumpfsinn würden solche
Stachel nicht aufbringen? Wer ist so scharfäugig, daß sie ihn nicht in ärgste
Finsternis bringen könnten? - Erasmus von Rotterdam, Das Lob der Torheit
(1509)
Gebildete (2) Dse-gung fragte: Welcher Art muß ein Mann sein, daß man ihn rechtens einen Gebildeten nennen könnte?
Der Meister sprach: Wer das Gefühl der Scham bewahrt hat in allem, was er tut, und wer als Gesandter in der Fremde seinem Fürsten keine Schande bereitet bei der Erfüllung seines Auftrags, den könnte man einen Gebildeten nennen.
Darf ich fragen, wen man einen Gebildeten niederer Art nennen könnte?
Der Meister sprach: Einen, den seine Sippe und Familie als in Liebe und Gehorsam seinen Eltern ergeben und den seine Landsleute als respektvoll den Älteren und brüderlich den Jüngeren gegenüber erachten.
Darf ich fragen, wen man als Gebildeten noch niederer Art nennen könnte?
Der Meister sprach: Jene, die unbedingt ihr Wort halten, wenn sie es gegeben haben, und auch unbedingt durchführen, was sie tun wollen. Sie mögen kleinliche Leute sein und starrsinnig fürwahr. Aber man könnte sie doch als nächst niedere Art gelten lassen.
Darauf fragte Dse-gung: Und jene, die heutzutage den Regierungsgeschäften nachgehen, wie steht es mit denen?
Der Meister sprach: Ach, das sind Leute, hohl wie Scheffel und Kufen, geeignet
nur zum Messen von Getreide. Die mitzuzählen - sie wären es nicht wert! - (
kung
)
Gebildeter (3)
Ein Leichnam ist für den Wurm
ein schöner Gedanke, und der Wurm ein schrecklicher für jedes Lebendige. Würmer
träumen sich ihr Himmelreich in einem fetten Körper, Philsophieprofessoren im
Zerwühlen Schopenhauerischer Eingeweide, und so lange es Nagetiere gibt, gab
es auch einen Nagetierhimmel. Damit ist unsere erste Frage: Wie denkt sich der
neue Gläubige seinen Himmel? beantwortet. Der David-Straußische Philister
haust in den Werken unserer großen Dichter und Musiker wie ein Gewürm,
welches lebt, indem es zerstört, bewundert, indem es
frißt, anbetet, indem es verdaut.
- Friedrich Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen (zuerst 1873)
Gebildeter (4) Zuerst unterrichtete er im Gitarrespielen die blutjunge Frau eines steinalten Offiziers, der ihn zum Teufel jagte, weil er ihn hinter seinem Rücken zum hundertsten oder tausendsten Alal gehörnt hatte.
Dann trat er in ein Nonnenkloster ein. Er sollte Meßbücher abschreiben und gleichzeitig Unterricht im Kirchengesang erteilen. Dort gefiel es ihm recht gut. Doch hatte er das Pech, daß er die Äbtissin in einer reichlich verfänglichen Situation mit dem Beichtvater ertappte, und da jagte ihn die Äbtissin fort, weil sie fürchtete, er könnte nicht reinen Mund halten.
Ein berühmter Arzt, der kein Wort Latein verstand, nahm ihn zu sich, damit er ihm diese Sprache beibringe; dann jagte er ihn wieder aus dem Haus, weil er wohl ein hübscher Bursche war, sich jedoch zu weiteren Liebesdiensten nicht verstehen wollte.
Dann nahm ihn eine alte, überaus fromme Dame in ihre Dienste. Er sollte ihr die Kirchenväter auslegen, aber sie jagte ihn fort, weil ihre Knochenhände nicht die geringste belebende Wirkung auf ihn ausübten.
Hierauf stellte ihn ein alter adeliger Herr ein, damit er seinen Kindern Lesen und Schreiben beibrachte, und jagte ihn wieder weg, weil er dumm genug war, im Beisein einer Kurtisane, die ihn ausbeutelte, zu bemerken, er habe graue Haare in seinem Schnurrbart.
Die Kurtisane nahm ihn zu sich, jagte ihn aber alsbald wieder aus dem Haus, weil sie, wie seinerzeit schon Batilda, feststellte, er tauge nicht soviel wie ein Maultiertreiber.
Ein dickwanstiger Kaufmann, der seine bildhübsche und ungemein aufgeweckte Tochter zugunsten eines baumlangen Tölpels von Sohn opfern und ins Kloster stecken wollte, stellte ihn als Hauslehrer ein. Er sollte sie im Kirchengesang unterweisen; doch jagte ihn auch der Kaufmann zum Teufel, weil das schalkhafte Kind ihn hinter einen Wandschirm zog und sich dort des nähern nach den weltlichen Frachten erkundigte, die es demnächst aufgeben sollte.
Schließlich verkaufte er tagsüber seine Stimme an die Chöre der verschiedenen Kirchen und vermietete nachts sein Gitarrespiel an verliebte Herren, die ihre Liebesbrunst in Serenaden ausströmen wollten. In Ausübung dieses traurigen Handwerks alterte er, und vermutlich hätte er diesen Beruf sein Lebenlang ausgeübt, wenn nicht der Graf von Aran sich seine Dienste gesichert hätte, als er noch der Liebhaber seiner nachmaligen Gattin in Burgos war. Während er das Ständchen mit ihm besprach, breitete Trufaldino vor dem Grafen sein Wissen und seine Gelehrsamkeit aus und erschien ihm als ein Original, mehr aber nicht. Doch als der Graf Vater wurde, dachte er, ein Original könne vielleicht gute Unterrichtsstunden erteilen, und da gute Lehrer nicht häufig anzutreffen sind, nahm er ihn mit angemessenem Gehalt in seinen Dienst und hatte es auch nicht zu bereuen.
Trufaldino hatte alle Irrtümer seiner Jugend abgelegt und war, abgesehen
von seiner Einfalt, seiner Hasenfüßig-keit und Kniffligkeit, ein Mann wie irgend
ein anderer. - Charles Pigault-Lebrun, Trufaldino.
Nach: Meistererzählungen
des französischen Rokoko. Hg. Walter Widmer. München 1962
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