ebet,
verkehrtes
Er befahl mir, Buße zu tun und zwang mich, im Hemd bei
grimmiger Kälte Nacht für Nacht in der Kirche stundenlang auf den
steinernen Altarstufen zu beten ohne Unterlaß, auf daß meinem
»Vater« die Sünden vergeben würden. Und brach ich zusammen vor
Schwäche und betäubender Schlafsucht, dann griff er zur Geißel und
schlug mich bis aufs Blut. --------- Ein schrecklicher Haß stieg damals in meinem Herzen
auf gegen Den, der da gekreuzigt vor mir hing überm Altar; und
alsbald, ohne daß es mir klar ward, wie das sein und von selbst
geschehen konnte: auch gegen die Litanei, die ich beten mußte, so
daß sie sich in meinem Hirn umdrehte und von rückwärts nach
vorwärts aus meinem Munde kam, — ich also die Gebete verkehrt
sprach, was mir zugleich eine heiße ungekannte Befriedigung in
die Seele goß. — Lange merkte mein Vater es nicht, denn ich
murmelte leise vor mich hin, dann aber kams ihm eines Nachts klar zum
Erkennen, und da schrie er laut auf vor Wut und
Entsetzen, verfluchte den Namen meiner Mama, bekreuzigte
sich und lief um eine Axt, mich zu erschlagen. ---------Ich kam
ihm aber zuvor und spaltete ihm den Schädel bis zum Kiefer, wobei
ihm ein Auge herausfiel auf die Steinfliesen und mich anstarrte von
unten auf. Und da wußte ich, daß meine verkehrten Gebete
hinabgedrungen waren zum Mittelpunkt der Mutter Erde, statt
aufzusteigen, wie die Juden sagen, daß es die Winselgebete derer
Frommen tun. - Gustav Meyrink, Der Engel
vom westlichen Fenster. München 1984 (zuerst 1927)
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