Gebärtalent (vergeudetes)  Maud, die italienische Tänzerin, kannte einen Präfekturbeamten von sehr hohem Rang und sehr kleiner Gestalt, der die Brust herausstreckte und den Kopf nach rückwärts trug und, im Profil gesehen, wie ein Teelöffel wirkte.

Er gehörte zur Sittenpolizei.

Sie war auch einem jungen Chirurgen vorgestellt, der eine Privatdozentenstelle an der Sorbonne erstrebte und Verfasser eines sehr schätzenswerten Werks über operative Medizin und chirurgische Therapie war.

Der junge Chirurg, der die schöne Tänzerin nicht aus Wissen-schartlichen Gründen, sondern einfach als amateur besuchte, versicherte ihr, daß alles bei ihr vollkommen richtig säße und prächtig in Ordnung sei. Er sagte ihr sogar voraus, daß sie mit einigem guten Willen und mit einiger Unvorsichtigkeit eine vorzügliche Familienmutter abgeben würde.

Aber Tanz und Mütterlichkeit lassen sich nicht leicht in Einklang bringen.

Der hohe Präfekturbeamte, der, im Profil gesehen, einem Teelöffel glich und der um seine Ruhe äußerst besorgt war, bat sie flehentlich, ja nicht in die Hoffnung zu kommen. Aber sie beruhigte ihn, indem sie ihm mitteilte, sie habe für alle Fälle einen jungen Chirurgen an der Hand, Verfasser eines Buches über operative Medizin und chirurgische Therapie.

Niemand würde geglaubt haben, daß dieser blonde junge Doktor, Typus eines Öldrucktroubadours mit den melancholisch resignierten Augen einer Wöchnerin, imstande wäre, einen Kaiserschnitt zu machen, einen Krebs zu operieren und Eierstöcke zu exstirpieren.

Und dabei war er ein so tapferer kleiner Kerl! Er hatte sich dann auf eine Operation spezialisiert, die ziemlich häufig in Wien, in Paris, in Berlin gemacht wird, und die jetzt auch in Italien anfängt, ausgeführt zu werden... Eine kleine Operation, die der Chirurg mit den sanften Augen einer Wöchnerin ohne Assistenten binnen einer Stunde machte, Sterilisierung der Instrumente und Hände einbegriffen. Und für dies kleine Operatlönchen begnügte er sich mit zehntausend Francs... In Mauds Fall aber begnügte er steh mit dem Doppelten, denn er wußte, daß sein Honorar von dem hohen Präfekturbeamten, dem Liebhaber Mauds und der Ruhe, bezahlt werden würde; der auch noch etliche Tausender-Scheine mehr herausgerückt haben würde, um seine noch im dunklen Schoß der Zukunft schlummernden Kinder nicht zu beeinträchtigen.

Selten in seinem Leben war dieser würdige Funktionär so glücklich, als, nachdem er wieder einmal Maud, die Tänzerin, angefleht hatte, doch ja nicht in die Hoffnung zu kommen, er die Antwort erhielt, daß vermittels der Hilfe des jungen Chirurgen nunmehr jede Gefahr beseitigt sei.

Der junge Chirurg begnügte sich mit der kleinen Summe, mit einigen persönlichen Belobigungen und mit der dankbaren Protektion des sehr einflußreichen Beamten der Präfektur, der ja auch besonders der Sittenpolizei zugeteilt war.

Als aber Tito erfuhr, daß seine Maud sich stoisch einer chirurgischen Operation unterzogen hatte, um ihre Liehe verkaufen zu können, ohne diese delikate Ware der Gefahr einer ungelegenen Mutterschaft auszusetzen, fühlte er seine Sinne schwinden, als ob die Instrumente des jungen Chirurgen anstatt Mauds Eierstöcken ihm das Herz herausoperiert hätten.   - Pitigrilli, Kokain. Reinbek bei Hamburg 1988 (rororo 12225, zuerst 1922)

Gebärfähigkeit Talent

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