Gazelle

 

- Albert Weisgerber

Gazelle (2)  In Juby folgte ich der Mode und hatte eine Gazellenzucht. Wir hielten die Tiere in einem vergitterten Stall in freier Luft, denn Gazellen brauchen ungehinderten Luftstrom. Sie sind so wenig widerstandsfähig! Aber sie bleiben am Leben, wenn sie jung genug eingefangen worden sind, und fressen einem aus der Hand, lassen sich streicheln und stecken einem ihre feuchten Muffeln in die hohle Handfläche. Man könnte sie für völlig gezähmt halten. Nichts mehr läßt das unerforschliche Freiheitssehnen ahnen, das sonst die Gazellen lautlos verlöschen läßt und ihnen einen stillen Tod schenkt. Aber es kommt ein Tag, da findet man seine Tiere an der Wüstenseite des Verschlages, gegen den sie ihre kleinen Hörner stemmen, wie von Magneten angezogen. Sie wissen nicht, daß sie den Menschen fliehen; freundlich trinken sie die Milch, die er ihnen bringt, sie lassen sich streicheln und stecken noch zärtlicher ihre Muffeln in seine Hand. Kaum aber läßt er sie allein, da gibt es im Verschlag so etwas wie einen freudigen Galopp. Er führt aber nur zurück zum Gitter. Und wenn der Mensch sich nicht um sie kümmert, bleiben sie dort bis zum Tode. Sie versuchen nicht einmal, gegen die Schranken anzurennen. Sie lehnen nur die gesenkten Köpfe dagegen.  - Antoine de Saint-Exupéry, Wind, Sand und Sterne. Düsseldorf 1976 (zuerst 1939)
 

Tierart

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme