attin,
sterbende
Die Schwester ist demnächst nichts als ein Griesberg von Leichenkrümeln.
Die Villacherin meidet Maden und Mädeln, die jünger sind. Sie stellt sich nie
daneben hin. Der Gemeindebedienstete hat in ihr eine gleichschwere Partnerin
gefunden, nur etwas älter ist sie ausgefallen. Die Oberfläche der Villacherin
ist schon fein gekörnt. Ist sie etwa die Krone der Schöpfung, das Weib? Der
Mann hat dadurch einen Anspruch auf etwas und macht ihn zu dieser heutigen Urzeit
geltend. Es ist alles wie immer. Diese Frau ist eine eindeutige Zeige im Dorf:
die Meinige! Der Schnee trägt den Schi ebenso geduldig wie Sie die Liftgebühr.
Der Waldesknecht wirft sich in einer Rolle vor dem Fahrer beiseite. Er muß doch
immer nach nebenan, wenn etwas Stärkeres vorbeikommt. Schifahrer und Waldhacker
verkörpern zwei dunkle mir unverständliche Prinzipien von Arbeit. Die Natur
ihrer beider Feind, diese Mimose. Eine eheliche Pflicht wird vom Mann aus Graus
nicht mehr eingehalten. Für diese Trafikantin bin ich nämlich ihr Ein und Alles,
sie bringt auch Barschaft mit. Für meine sterbende Gattin bin ich doch nur mehr
Nummer zwei (als Schicksalsmacht) und ein gewisses profitables Arbeitswerk.
Man muß doch einmal tanzen gehen dürfen. Nicht mit mir! Nur Arbeit, kein Vergnügen
mit der todwunden Haushaltskuh, das geht nicht. Das Tobelbad verband uns, die
Gesundheit ist das höchste Gut, wir haben es nun wieder errungen, die Villacherin
und ich. Kurschatten huschen dort über Blumenrabatten. Ganze Wände in Kammern
erleuchten sich von der Kraft der Sterbenden, wer braucht da noch meine Geschirrabwäsche.
Für meine Frau zählten immer nur die Kinder die Kinder die Kinder. Ich mußte
zahlen. Die Untersuchung des Doktors mied sie. Dieser Herr soll nicht von unten
in sie hineinkritzeln dürfen. Seine gleichgültigen Blicke sollten nicht über
ihr Inneres huschen wie unsere beliebten Schneeläufer übers Gefrorene. - Elfriede Jelinek, Oh Wildnis, oh Schutz vor ihr. Reinbek
bei Hamburg 1993
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