arten

mescalin und morphium
wächst in unserm garten.
draculinchen ist die braut,
mag nicht lang mehr warten.
ist sie doch schon jahre zehn
fledermäuseelfchen,
träumt von werwolf und von zwölf
neugeworfnen wölfchen.

- (artm)

 Garten (2)  Darin, daß dicke Männer in den besten Jahren, eben von der Arbeit gekommen, im sechsten Stocke eines Hinterhauses ein Fensterbrett mit blauen Petunien unter Wasser setzen, und dabei nachsehen, ob die Studentenblumen in dem alten Zigarrenkistchen noch nicht keimen — und darin, daß sie es ungeniert tun, während, im Gegenteile, unzählige ihresgleichen an unzählige ähnliche Fenster treten und ein bischen am Geranienstocke herumputzen, oder von Fenster zu Fenster mit ihren Ergebnissen rührend renommieren, — darin liegt mehr Wirklichkeit des Gartens der Menschheit, als in dem beim Gartenarchitekten gebrauchsfertig bestellten hochmodernen Staudengarten des Manns auf dem Grünen Zweig, oder im Teppichbeet des Provinzrentiers, oder der Werkstoff-Orgie des Einfarbenschwelgers, der laufende Meter, wie mit dem breiten Pinsel hingeschmiert, gelb oder lila sich in den Horizont verlieren sieht. Gewiß, da ist Luxus, da sind Steckenpferde, da ist bloßes Spiel und krasser Wahn — wie sollten sie nicht? Was beweist es als das Gegenteil dessen, was es beweisen soll? Wo entsteht so blühender Unsinn wie am Rande des tiefen Sinns und der Leidenschaften? - Rudolf Borchardt, Der leidenschaftliche Gärtner. Nördlingen 1987 (Die Andere Bibliothek 25, zuerst 1938)

 Garten (3)   Es waren im Schlosse des Königs Fenster, die auf den Garten führten. Schahzamin blickte hinaus, und siehe, da öffnete sich die Tür des Schlosses, und heraus kamen zwanzig Sklavinnen und zwanzig Sklaven, und die Gemahlin seines Bruders, herrlich an Schönheit und Anmut, schritt in ihrer Mitten, bis sie zu einem Springbrunnen kamen. Dort zogen sie ihre Kleider aus, und die Sklavinnen setzten sich zu den Sklaven. Die Königin aber rief: »Mas'ûd!« Da kam ein schwarzer Sklave und umarmte sie, und auch sie schloß ihn in ihre Arme, und er legte sich zu ihr. Ebenso taten die Sklaven mit den Sklavinnen; und es war kein Ende des Küssens und Kosens, des Buhlens und Liebelns, bis der Tag zur Neige ging.  - (1001)

 Garten (4)   In meinem Berggarten viele Vögel die mich aufsuchen Meisen Amseln Rotkehlchen, chrysanthemengelbe Fledermäuse, zwischen den Schwertlilien im Mondlicht wachsfarben leuchtende Königskerzen auch Kuckucksspeichel, ich erblickte etwas das wie ein Baumstumpf aussah und sich dann in ein Eichkätzchen verwandelte und davonsprang, oder, etwas das mir wie die abgesägten Äste eines Baumes vorkam, geriet plötzlich m Bewegung und verschwand, ohne daß ich seine wahre Gestalt erkennen konnte, in der wabernden Dunkelheit dahinter. In den Pinien zischt die Vergänglichkeit oder was wollen meine MATERIALNERVEN noch wahrgenommen haben um mir diesen Schock beizubringen, ich habe es selbst gesehen wie sich die beiden Birken am Waldrand mit einem zarten hellgrünen Lichtschleier umgaben, vor meinen Augen ich glaube eine Weissagung, nämlich wie wenn ein gewisses Licht der Weissagung aufgeht, unter dem Gemurmel gewisser Worte, schon springt der Geist oder das sogenannte Rehkitz umher und herbei und heran!  .- Friederike Mayröcker, Magische Blätter II. Frankfurt am Main 1987 (es 1421)

 Garten (5)  Etwa hundert Meter von der Kirche Sankt Alexanders entfernt befand sich das, was er »Meinen Garten der Kleinen Blumen der Kasteiung« nannte. Das war eine Ansammlung unheimlicher, zur Hälfte in den Boden eingelassener Gegenstände: Stühle aus Eisendraht (»Ich setze mich auf sie, wenn sie weiß glühend sind, und bleibe sitzen, bis sie wieder abkühlen«); riesengroße lächelnde Münder mit spitzen, vergifteten Zähnen; Wäsche aus Eisenbeton voller Skorpione und Vipern; Kissen aus Tausenden von schwarzen Mäusen, die sich gegenseitig anfielen und bissen, wenn das gebenedeite Gesäß woanders war.

Sankt Alexander zeigte seinen Garten Gegenstand für Gegenstand und mit einem gewissen Stolz.

»An Wäsche aus Eisenbeton hat nicht einmal die kleine Teresa von Ävila gedacht«, sagte er. »Das heißt, ich wüsste im Augenblick niemanden, der auf diese Idee gekommen wäre. Schließlich kann ja auch nicht jeder ein Genie sein.«  - (wind)

 Garten (6)  Alles Absonderliche des Menschen und das, was von einem Vagabunden und von einem Verirrten in ihm ist, könnte er gut und gern in diese beiden Silben fassen: Garten. Nie, und schmückte er sich gleich mit Diamanten oder blies ins Blech, war ihm ein seltsamerer Einfall, eine abwegigere Idee gekommen als damals, als er die Gärten erfand. Ein Bild der Muße bettet sich auf den Rasen zu Füßen der Bäume. Es ist, als befände der Mensch sich da mit seinen zauberischen Wasserspielen und kleinen Kieseln wieder im legendären Paradies, das er keineswegs völlig vergessen hat. Gärten, mit euren Kurven, mit eurer Traulichkeit, mit der Wölbung eures Busens und der Weichheit eurer Locken seid ihr die Frauen des Geistes, oft töricht und schlecht, aber ganz Trunkenheit, ganz Illusion. Innerhalb eurer Umfriedung aus Spindelbäumen, zwischen euren Buchsbaumreihen wird der Mensch gelöst und findet zurück zu einer Sprache der Liebkosungen, zu dem kindlichen Wesen einer Gießkanne. Er selber ist die Gießkanne in der Sonne mit ihrem frischen Haar. Er ist der Rechen und die Schaufel. Er ist der Felsbrocken. Gärten, ihr erinnert an Muffe aus Fischotter, an Spitzentaschentücher, an Pralinen. Manchmal hängt ihr mit euren Lippen an den Balkons; ihr bedeckt die Dächer wie Tiere und miaut in der Tiefe der Innenhöfe. Ich habe in euren Pirogen geschlafen: mein Arm war ausgebreitet und auf der Erde flüchteten kleine Ameisen. Am Himmel standen die Blumen dichtgedrängt. Die grüne Bank sehnte sich nach dem Nil, wo auf glühendheißem Boden große weiße Schärpen vor ihr flohen. Ich habe auf euren Rasen gespielt und auf euren Wegen hat mein Fuß mein Herz zwischen Himmel und Hölle hin und hergeschubst. Vor euren Rabatten habe ich mein Taschentuch geschwenkt wie ein Auswanderer an Bord eines Schiffs. Und schon entfernt sich das Schiff. In der Takelage des Gartens trocknen mit meinem Hemd die einfachsten Wünsche, die Schmeicheleien des Abends. Die Sonne vermacht uns testamentarisch einen Geranientopf.

Die Gärten richten heute abend ihre großen braunen Pflanzen auf, die mitten in den Städten Nomadenlagern gleichen. Die einen flüstern, andere rauchen schweigend ihre Pfeife und wieder anderen ist das Herz schwer von Liebe. Es gibt welche, die weiße Mauern liebkosen und solche, die sich an die alberne Umzäunung lehnen, während in ihrer Kapuzinerkresse Nachtfalter flattern. Es gibt einen Garten, der ist Wahrsager, ein anderer ist Teppichhändler. Ich kenne die Berufe eines jeden: Straßensänger, Goldwäger, Strauchdieb, Raubritter, Sargassomeerlotse, du, ein Süßwassermatrose, du, ein Feuerschlucker, du, du und du Hausierer mit Küssen, alles Scharlatane und Astrologen, die Hände voller falscher Geschenke, Bilder menschlicher Narretei, Moosgärten und Glimmergärten. Getreu spiegeln sie die weiten sentimentalen Landschaften wider, in denen sich die wüsten Träume der Städter bewegen. Alles, was den Erwachsenen von der Atmosphäre verzauberter Wälder bleibt, was bei ihnen noch ans Wunderbare grenzt, was in ihrem Atem nach Feenmärchen duftet, in dem ärmlichen, verrückten Aussehen dieser ersonnenen Landschaften zeigt sich der Mensch mit seinem unsinnigen Schatz an intellektuellen Glasperlen, mit seinem Aberglauben und seinem ganzen Wahn. Er hockt Her inmitten all der runden Steine, die er hat finden können, zählt sie und lacht: er ist glücklich. Er hat auch Glaskugeln an die Bäume gehängt und in die Höhlung eines Felsens etwas Wasser geschüttet. Was werden seine Weibchen dazu sagen; Er kaut an seinen Nägeln und lacht. Wenn er dann in der Hängematte sein Mittagsschläfchen hält, wird er zugleich den Schlaf des Todes und die Friedhofsruhe kosten. Singt ein Vogel, sogleich kommen ihm die Tränen. Er ist rührselig, er wiegt sich inmitten dieser blödsinnigen Gestaltung des Glücks. Sechsunddrei der Obstgärten, Doppelweiß der Terrassen, spielt er Domino oder macht er sich eine primitive Liturgie zupaß? Er lacht ganz leise neben den Fuchsien.

Jene, die ihr Leben lang gereist sind, die der Liebe begegnet sind und ihre Himmel kennengelernt haben, die sich im Süden den Bart versengt haben und deren Haare im Norden vereist sind, deren Haut aus allen Sonnen und Winden gemacht ist, die im Munde des Okeanos zwischen seinen Klippenreihen und seinem Speichel ein ewiger Priem waren, die Diener des Rauchs, die Wasserratten, die Söhne des Wirbelsturms, wenn sie am Ende ihres langen Alptraums, einen Papagei auf der Schulter, mit erdbebenkundigem Schritt heimkehren, haben sie nur einen einzigen Wunsch, nämlich einen Garten zu besitzen.  - (ara)

Garten (7)  Der Epikureer sucht sich die Lage, die Personen und selbst die Ereignisse aus, welche zu seiner äußerst reizbaren intellektuellen Beschaffenheit passen, er verzichtet auf das übrige — das heißt das allermeiste —, weil es eine zu starke und schwere Kost für ihn sein würde. Der Stoiker dagegen übt sich, Steine und Gewürm, Glassplitter und Skorpionen zu verschlucken und ohne Ekel zu sein; sein Magen soll endlich gleichgültig gegen alles werden, was der Zufall des Daseins in ihn schüttet: — er erinnert an jene arabische Sekte der Assaua, die man in Algier kennenlernt; und gleich diesen Unempfindlichen hat er auch gern ein eingeladenes Publikum bei der Schaustellung seiner Unempfindlichkeit, dessen gerade der Epikureer gern enträt: — der hat ja seinen „Garten"! Für Menschen, mit denen das Schicksal improvisiert, für solche, die in gewaltsamen Zeiten und abhängig von plötzlichen und veränderlichen Menschen leben, mag der Stoizismus sehr ratsam sein. Wer aber einigermaßen absieht, daß das Schicksal ihm einen langen Faden zu spinnen erlaubt, tut wohl, sich epikureisch einzurichten; alle Menschen der geistigen Arbeit haben es bisher getan! Ihnen wäre es nämlich der Verlust der Verluste, die feine Reizbarkeit einzubüßen und die stoische harte Haut mit Igelstacheln dagegen geschenkt zu bekommen. - (frw)

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