Königl. Frauengefängnis.
Barnimstr. 10, 25. 5. 15
. . . Denken Sie, hier in meiner Nachbarschaft ist
irgendwo auch eine Gans, ich meine: eine richtige, gefiederte Gans; und
die schreit manchmal zu meinem Entzücken; leider nur zu selten. Wissen
Sie, weshalb mir das so gefällt? Ich habe es jetzt raus: Das Gackern
der Hühner oder das Quaken der Enten, das ist so ein echt
hausmütterlicher, sorgenvoller Laut eines alten Haustieres, aber in dem
Gänseschrei, da steckt noch ganz der wilde, ungezähmte Vogel, der nach
dem Süden zieht über Winter, da ist noch trotziger Hochflug drin, das
gegenseitige Locken über weite Fernen; wahrhaftig, wenn ich diesen
unartikulierten Gänseschrei höre, da zuckt in mir alles vor Sehnsucht
nach - was weiß ich nach was, einfach nach der Ferne, nach der Welt.
Himmelkreuzhageldonnerwetter! wenn ich so weit weitweg fliegen könnte
wie eine Wildgans! Ich würde Sie gleich mitnehmen. Bis zu diesem
Gänseflug leben Sie recht wohl und behalten Sie den Kopf
oben. - Rosa Luxemburg an Gertrud Zlottko,
nach
(arc)
|
||
|
|
|