Gänsebrustbein  Ich will über den Gänseknochen berichten. Wenn man am St.-Martins-Tag oder -Abend die Gans gegessen hat, behalten die Ältesten und Weisen das Brustbein, lassen es bis zum nächsten Morgen trocknen und betrachten es dann von allen Seiten, vorne, hinten und in der Mitte. Danach beurteilen sie dann, ob der Winter kalt oder warm, trocken oder feucht werde. Daran glauben sie so fest, daß sie ihr Hab und Gut darauf verwetten. Sie haben dafür sogar ein spezielles Losorakel, das angeblich niemals irrt, wenn sie vorhersagen, ob viel oder wenig Schnee fallen werde. All das kann der Gänseknochen! Früher wurde so etwas von den alten Bauern auf den Einödhöfen praktiziert. Heute ist dieser Aberglauben unter Königen, Fürsten und im ganzen Adel verbreitet, wo man solches Zeug für Wahrheit hält. Ich getraue mich kaum, die Geistlichkeit zu erwähnen, denn sie will bestrafen und selbst ungestraft bleiben. Aber ich kenne sehr viele hohe Geistliche, Erzbischöfe, Äbte, Pröbste und andere ehrbare Priester, von denen die meisten in ihrem Lebenswandel und der Einhaltung ihrer Regel untadelig sind. Dennoch glauben sie an den Gänseknochen. Und ich werde sogleich beweisen, daß der ganze Glaube an die Bedeutung dieses Knochens für den Winter nichtig ist, obwohl es einige Anzeichen an Vögeln und anderen Tieren gibt, aus denen auf gewisse Wetterveränderungen geschlossen werden kann. Das hat aber natürliche Ursachen, und Albertus Magnus hat viel darüber in dem Buch geschrieben, das er De signis serenitatis pluviae nennt. Davon werde ich unten berichten.

Der Gänseknochen ist angeblich etwas ganz Besonderes und soll unfehlbar das Richtige anzeigen. Sag, guter Mann, woher willst du wissen, ob es so ist oder nicht? Der Gänseknochen hat sechs Seiten: unten, oben, hinten, vorne, links und rechts. So ist es bei allen gegenständlichen Dingen. Der Gänseknochen hat auch verschiedene Farben; die haben andere Gegenstände ebenso. Wenn du sagst, das rühre aus seiner wäßrigen und irdischen Natur: diese besitzen andere Vögel und Tiere genauso, wie Enten, Reiher, Amseln, auch Biber, Krebse, Seehunde, Otter. Warum schreibt man nichts über die? - (hart)

 

Gans Brustbein

 

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