ußkuß
Alle Mitglieder des Heiligen Kardinalskollegiums wurden mittels eines päpstlichen
Boten für den Sonntagmorgen in aller Frühe in die Basilika von San Paolo fuori
le Mura zusammengerufen, um dort dem neuen Papst den Willkommensgruß zu entbieten
und seiner Ansprache nach der Zeremonie des Fußkusses beizuwohnen. Aber es ging
das Gerücht, daß Hadrian das Zeremoniell modifizieren wolle, noch ehe er in
St. Peter gekrönt wurde, um den Fußkuß, genauer: den Kuß des Pantoffels - den
er als eine Entwürdigung der Kardinäle ansah - abzuschaffen, und ihn durch einen
einfachen Kuß des Rings zu ersetzen.
Sicher würde der neue Papst, soweit man ihn kannte, nie das herausfordernde
Verhalten Leos X. annehmen, der einmal, als er von einer Jagdpartie zurückgekehrt
war, die Kardinäle zu sich beorderte, und sich noch in den Stiefeln auf den
Päpstlichen Thron setzte. Sollten sie seine verstaubten Stiefel küssen, wie
sonst die golddurchwirkten Pantoffeln? Leo X. belustigte sich auf Kosten der
Purpurträger, und nachdem er sie mit einem Stiefelkuß gedemütigt hatte, zog
er bei anderer Gelegenheit angeblich einen Pantoffel aus und ließ ihn unter
den Kardinälen herumreichen, damit sie den Kuß ohne Anstrengung ausführen konnten.
Wie schon den allerersten Nachrichten, die seine Boten überbrachten, zu entnehmen
war, erschien die Haltung des neuen Papstes von gänzlich anderer Art - stets
förmlich, ohne jeden Anflug von Heiterkeit oder Ironie. - Luigi Malerba, Die nackten Masken. Berlin 1995
Fußkuß (2)
Fußkuß (3)
- Topor
![]() |
||
![]() |
![]() |
|
|
||
|
||
|
|
|