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Fürsorglichkeit (2) A., ein vielbeschäftigter
Architekt in der Provinz, der häufig mit öffentlichen Stellen zu tun hat, erzählte
mir von der Begegnung mit einem Schulkameraden, den er viele Jahre nicht gesehen
hatte und der ein hohes Tier geworden war. Nach einer Viertelstunde wechselseitigen
Berichtens und Fragens, »das in der Luft hing«, wie Belli sagen würde, wurde
der Ton wieder burschikos wie einst in der Schulzeit. Auf ein Gerücht anspielend,
das tatsächlich umging, sagte der Architekt: »Man sagt, daß du ein Dieb geworden
bist.« Ohne mit der Wimper zu zucken, fragte der andere: »Und du?« - »Ich nicht,
sagt man«, antwortete der Architekt. »Dann bist also du der wahre Dieb: du bestiehlst
deine Kinder«, gab das hohe Tier zurück. »Was soll das heißen?« -»Meine Kinder
besitzen ein paar Millionen, und zwar Schweizer Franken, auf einem Schweizer
Konto. Und deine?« - Leonardo Sciascia, Schwarz auf
schwarz. München 1991 (dtv 11328, zuerst 1979)
Fürsorglichkeit (3) Ich achtete darauf. daß sie etwas
Handfestes in den Magen bekamen und nicht nur Leckereien. Gumbo oder Okra-Suppe,
Steak, Kartoffeln, schöne weiße Bruststücke vom Huhn, ein golden gebratener
Katzenwels, Apfeltorte und viel Kompott. Alle Huren leiden
unter schlechter Verdauung. Ich verlangte, daß sie
Kreuzdorntee tranken, viel Rhabarber aßen und regelmäßig auf die Toilette gingen.
In jedem Zimmer gab es einen Nachttopf, viele Gäste
hören den Mädchen gern beim Pipimachen zu. Später
ließ ich in jedem Stockwerk ein Badezimmer installieren - in einem gab es sogar
eine große Wanne aus Marmor für zwei Personen - und auch Bidets. Anfangs wollten
die meisten Mädchen sich nicht in den einfachen Zinnwannen baden. Ich hatte
aber keine Lust, mein Geld für unnötigen Luxus hinauszuwerfen. Und Parfüm allein
half nichts, nach einer Weile stanken sie trotzdem.
Bidets kannten viele von ihnen überhaupt nicht. Ein Mädchen aus Kansas verwendete
es zum Füßewaschen, bis ich ihr den Zweck erklärte. Sie kam vom Land, aus primitiven
Verhältnissen, sogar Toilettenpapier war etwas
Neues für sie. - Nell Kimball, Madame - Meine Mädchen, meine Häuser.
Hg. Stephen Longstreet. Frankfurt am Main, Wien und Berlin 1982 (entst.
ca. 1917-1932)
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