Für sich sein  So bin ich hier, füge den Materialalben etwas hinzu, sehe mir eine weitere sterbende europäische Hauptstadt an, mache Notizen, sammele, - es gibt hier seltsame lichte Himmel, abends kalkweiße Monde zwischen schwarzen großen Pflanzen, Bäume. - Ich sehe mir das Licht an, das ich lange Zeit vermißt habe, wie lange das anhält? Weiß nicht. - Ich denke, nach der jahrhundertelang betriebenen Entleerung aller Inhalte, passiert jetzt überall die rasende Entleerung auch aller Formen - gut so, denke ich, das bringt jeden in die Notwendigkeit, seine eignen Inhalte und Formen zu bringen, bringen zu müssen, danach zu suchen.

Ich lebe hier ohne TV, ohne Zeitungen, einmal sah ich flüchtig in eine Zeitung, sie liegen oben im Bibliotheksraum aus, und schon beim Anlesen bekam ich einen flauen, ekligen Stoß ins Gemüt, da legte ich sie wieder weg, ins Kino gehe ich bisher selten, meist wird großkotziger bunter amerikanischer Mist gegeben oder alte Flimmerfilme oder entleerter Untergrund, das sagt mir nichts mehr.

Erwartet hatte ich vielleicht undeutlich eine stillere intensivere Atmosphäre, die Zusammenkünfte sind horrende dumpf, ein Platz, über den jeder mal alle 14 Tage über jedes etwas reden kann. Zwei Mal suchte ich die Bibliothek des Göthe-Institutes auf, bestellte einige ältere Werke per Fernleihe, das akademische-flaue Fluidum dort, die erloschene Luft, trieb mich rasch auch dort weg./So bummele ich ab und zu allein zu Fuß durch die Stadt, gehe unter kahlen Platanen am Fluß entlang, mittags ab halb 2 bis halb 4 wird die Stadt innen sehr still./Das Essen-Gehen ist mir gelegentlich verleidet worden durch die vielen Hinweise auf das Essen, und mir kommt diese Einstellung, das Betonen und Loben der italienischen Küche pervertiert vor./Einmal saß ich mit einem Berliner Maler aus dem letzten Jahr in einem Restaurant und nach 20 Minuten hatte ich furchtbare Kopfschmerzen von all den abstrakten Begriffen, die er benutzte (es ging um Gesellschaft und Revolution oder sowas.)/ Überall sehe ich die Steinbilder über mir in der Luft, das sind ja Horden-Fetische. Und die antiken Bauten, die Ruinen sagen immerzu, daß sich bis heute eigentlich gar nichts geändert hat, vielleicht ist das jenes dünn treibende Erschrecken, was von ihnen ausgeht./Wind treibt Abfälle über Ruinen, Wind treibt Abfälle über Straßenkreuzungen der Gegenwart./ Ich habe kein Radio hier, keinen Schallplattenspieler, ich vermisse es nicht. So lebe ich für mich. Ein Buch wird gewiß sich mehr und mehr anbieten, es zu schreiben, manchmal ordnen sich Szenen und Einblicke. (Was hat man gesehen? Was hat man erfahren?)   - (rom)

Für sich sein  (2) - Als Post&meldeadresse lassen wir die Anschrift=hier vom Forstamt. Post bekommen Sie ja niemals - (stellte der Verwalter fest) - -?haben Sie denn keine Freundin. - Die Schule des Waldes: Schweigen, u keiner verübelte dies dem Andern. -

Mit diesem groben Verstoß gegen Das Verbot, im Nutzwald weder zu wohnen noch zu kampieren, hatte Der Verwalter auch den Neuling in-seiner-Hand; beide wußten Das..... So würde Keiner die Abmachung brechen.

Als der Neue dann seinen Umzug in den Wald vornahm, griff er sich (heimlich) einen Stapel alter, schon vergilbter Formulare sowie ein Sortiment Bleistifte aus den Schränken im Kulturraum. Die Formulare waren sämtlich auf der Rückseite unbedruckt; sie würden ihm Papier

zum Schreiben seines Buches sein. Denn Das Ziel hatte er nicht vergessen: Schriftsteller-sein, zwischen den Bäumen des Waldes, allein= für—sich schreiben was er lesen wollte. Bäume sind Vorfahren der Bücher & der Särge. Meinem Buch künftig des Lebens Ganzes=Ich, dem Sarg was Rattenfutter ist an mir.

Aus seinen ersten Arbeit's Tagen als Hilfsarbeiter-im-Wald kam er zerschunden an Gesicht Händen & Armen zurück. Harz beklebte ihn wie Leim; Quetschungen, Prellungen, Schrammen & Blasen an Händen & Füßen, offenes Fleisch, am Ganzenleib von Ungeziefer zerstochen zerbissen, - alle Muskeln zitternd wie unter Frost. Den übrigen Arbeitern bot er Heiden-Spaß. Gelenke u Rücken schmerzten noch lange, im Kopf ein dumpfes Bohren (des abends an Schreiben nicht zu denken -). - Aber die-Zeit verging und die Blessuren heilten, neue kamen immer seltener hinzu; er biß die Zähne zusammen, Haut u Sinn wurden härter. Und mit derselben Zeit kehrte zum ersten Mal in sein Leben Ruhe ein, Ruhe aus Gedanken - Ruhe - und die-Zeit lief in anderem Takt für=ihn. Wer ihn sah, seine Miene mit den streng geschlossnen Lippen, der mochte diesen Ausdruck für Entschlossenheit halten.    - (jir)

Alleinsein

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VB
Distanz

 

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