Frühchen   Maui war der fünfte Sohn seiner Mutter Taranga. Als sie eines Tages am Strand entlang ging, überkamen sie dort die Wehen und sie gebar ihn vor der Zeit. Sie glaubte, daß ihr Kind tot sei, und so schnitt sie sich ihren tiki tiki ab und wickelte das Neugeborene sorgfältig darin ein, bevor sie es in die schäumenden Wogen des Ozeans warf. Der Seetang aber legte sich mit seinen weitverzweigten Armen um Maui und schützte ihn, und die endlos wogende Brandung, die über ihn hinwegrollte und ihn von einer Seite zur anderen warf, konnte ihm nichts anhaben. Eines Tages trieben ihn die Winde und Böen wieder zurück an Land. Dort legten sich die weichen Quallen der langen Sandstrände um ihn herum und gaben ihm Schutz. Doch bald schon ließen sich ganze Fliegenschwärme auf ihm nieder und legten ihre Eier auf ihm ab, und die schlüpfenden Maden drohten ihn zu zerfressen; Seevögel kamen und pickten an ihm herum und hätten ihn mit ihren spitzen Schnäbeln fast in tausend Stücke zerhackt.

In diesem Augenblick größter Not erblickte Tama-nui-ki-te-rangi, Mauis großer Ahne, das Bündel am Strand, und er rannte so schnell er nur konnte, und schälte Maui aus seiner Hülle aus Quallen.

Behutsam hob er ihn auf und trug ihn zu seinem Haus, wo er ihn unter den Dachfirst hängte, genau übers Feuer, damit er sich in der Wärme des Feuers erhole.   - Märchen aus Neuseeland. Überlieferungen der Maori. Hg. und Übs. Erika Jakubassa. Köln 1985 (Diederichs, Die Märchen der Weltliteratur)

Frühchen (2)   Entlang der Wände liegen in tiefen Metallwannen mit offenen, ernsten Augen stille frühgeborene Kinder, kümmerliche Früchte ausgezehrter, fühlloser, kleiner Frauen, Frauen aus den nebelverhüllten hölzernen Vorstädten.

Die Frühchen haben, wenn sie geholt werden, ein Gewicht von vier- bis sechshundert Gramm. An jeder kleinen Wanne hängt eine Tafel, die Lebenskurve des Säuglings. Heutzutage ist das keine Kurve mehr. Die krumme Linie verwandelt sich in eine Gerade. Das Lebensflämmchen in den vierhundert Gramm leichten Körpern flackert trüb und lustlos.

Noch ein kaum merkliches Zeichen unserer Ohnmacht: Die Stillenden haben immer weniger Milch.

Es sind nicht viele. Fünf Ammen auf dreißig Säuglinge. Jede stillt vier fremde und einen eigenen. Im Heim sagt man in einem Atemzug: Vier-fremde-ein-eigner.

Gestillt werden muß alle drei Stunden. Feiertage gibt es nicht. Schlafen kann man höchstens zwei Stunden hintereinander.

Die Frauen, denen siebenmal am Tag fünf blaue, schmale Münder an die Brust gelegt werden, erhalten täglich drei Achtel Brot.

Vollbrüstig, aber dürr, stehen sie um mich herum, alle fünf, in ihren nonnenhaften Kleidern. Sie sagen:  »Die Ärztin meint: >Ihr gebt wenig Milch, die Kinder nehmen nicht zu.< Heilfroh wären wir. Das Blut saugen sie uns aus, wir spüren's . . . Wenn man uns doch den Kutschern gleichstellen wollte . . . Aber in der Verwaltung heißt es: >Ihr seid keine Arbeiter . . .< Heute sind wir zu zweit raus, zum Laden, wir gehen, die Knie schlottern uns, wir bleiben stehen, gucken uns an, haben Mühe, nicht zusammenzuklappen, und können nicht weiter.«  - (babel)

 

Geburt

 

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Siebenmonatskind