Frühaufsteher  Auf den Baikonen der soliden großbürgerlichen Villen stehen Dienstmädchen, die Haare durch ein Kopftuch oder ein Häubchen vor Staub geschützt, und schlagen Staubtücher aus oder klopfen Teppiche. Die Zukunft gehört denen, so heißt es, die früh aufstehen. Geschissen! Wer früh aufsteht und dann sofort auf die Straße rennt, fängt sich höchstens viele Bakterien ein, mehr nicht. Das reicht für den ganzen Tag. Bis um zehn Uhr morgens liegt Tuberkulose in der Luft; und manchmal sogar fallen kleine Tierchen, Obstkerne oder Brotkrumen vom Himmel, einfach so. Damit sich das Zeug schnell vermehrt, kann man es mit nach Hause nehmen und an einem warmen Ort aufbewahren.    - Léo Malet, Wer einmal auf dem Friedhof liegt ...  Reinbek bei Hamburg 1994 (zuerst 1982)

Frühaufsteher (2) Von dem Augenblick an, da ich um halb vier aufgestanden bin und geraume Zeit an meinem Tisch verbracht habe, zählt der Rest des Tages wenig. Komme, was kommen mag, ich werde dem Ereignis gewachsen sein. Mit einem Satz habe ich mich über das Leben hinaufgeschwungen, damit nichts Niedriges mich mehr erreicht, damit ich imstande bin, alles zu überblicken und zu beherrschen.

Wenn die andern ihr Tagwerk beginnen, habe ich das meine schon getan, und dann ist es den ganzen Tag über, als lebte ich von meinen Renten: schon ab Mittag koste ich die Lockerheit, das Sichloslassen, die Entspannung, die dem Schlaf vorausgehen.

Früher sehnte ich mich nach den Ferien, um endlich Muße zur Arbeit zu haben. Von nun an warte ich nicht mehr, bis man mir Ferien gibt; allmorgendlich, sobald es dämmert, nehme ich sie mir. So kann mir die «göttliche» Muße nicht entgehen, und der Rest der Zeit ist eben nur der Rest, den ich gerne mit anderen teile. Mein Teil habe ich schon vorweggenommen, das bessere Teil, nicht ohne Aufwand, nicht ohne Stolz; wie sollte danach ein Absinken möglich sein? Wenn die anderen ins Leben treten, liegt das Wesentliche des meinen schon hinter mir. Bis zum Abend lauter Dreingaben. Manchmal streift mich der Verdacht, die, welche mir begegnen, möchten meinen Vorsprung bemerken, auch wenn ich ihn verberge, und ihn nach Kräften ausbeuten. Das Licht, das man seit der Frühe in sich gespeichert hat, begleitet die Seele, ja es erhellt die Hände bis spät in die Nacht.   - Marcel Jouhandeau, Elise. Reinbek bei Hamburg 1968 (zuerst 1933 ff.)

Frühaufsteher (3)

- Tomi Ungerer

Frühaufsteher (4)
 

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