roschexperiment  Hardy öffnete das Glas und nahm einen feuchten Frosch heraus. »Wie Sie sehen können, hat das große Rohr einen Eingang und einen Ausgang. Der Frosch kommt in den Eingang. Gucken Sie in das Rohr, mein Junge. Nur zu.«

Pitner spähte in das offene Ende des Rohrs. Er sah einen langen schwarzen Tunnel. »Was sind das für Linien?« »Meßlinien. Grote, schalten Sie sie ein.«

Die Maschine begann leise summend zu arbeiten. Hardy nahm den Frosch und setzte ihn in das Rohr. Er schwang die Metalltür zu und verriegelte sie. »Damit der Frosch nicht wieder herauskann, an diesem Ende.«

»Mit was für einem großen Frosch haben Sie denn gerechnet?« fragte Pitner. »Da würde ja ein ausgewachsener Mann hineinpassen.«

»Gucken Sie zu.« Hardy drehte den Gashahn auf. »Dieses Ende des Rohrs wird erwärmt. Die Hitze treibt den Frosch das Rohr entlang. Wir beobachten ihn durch das Fenster.«

Sie sahen in das Rohr. Der Frosch saß ruhig und in sich zusammengesunken da und stierte traurig vor sich hin.

»Spring schon, du dummer Frosch«, sagte Hardy. Er drehte das Gas auf.

»Nicht so hoch. Sie Wahnsinniger!« rief Grote. »Wollen Sie ihn braten?«

»Sehen Sie!« schrie Pitner. »Er bewegt sich!«

Der Frosch sprang. »Am Boden des Rohrs wird die Hitze weitergeleitet«, erklärte Hardy. »Er muß springen, wenn er ihr entgehen will. Sehen Sie, wie er sich weiter voranbewegt.«

Plötzlich ließ Pitner ein erschrockenes Keuchen hören. »Mein Gott, Mr. Hardy. Der Frosch ist geschrumpft. Er ist nur noch halb so groß wie vorher.«

Hardy strahlte. »Das ist der Trick. Sehen Sie, am anderen Ende des Rohrs befindet sich ein Kraftfeld. Durch die Hitze wird der Frosch gezwungen, darauf zuzuhüpfen. Die Wirkung des Kraftfelds besteht darin, tierisches Gewebe zunehmend zu reduzieren. Je weiter der Frosch vorankommt, desto mehr wird er verkleinert.«

»Aber warum?«

»Das ist die einzige Möglichkeit, die Sprungspanne des Froschs zu reduzieren. Während der Frosch springt, verringert sich seine Größe, und folglich wird jeder Sprung proportional reduziert. Wir haben es so arrangiert, daß die Verkürzung genau jener in Zenons Paradoxon entspricht.«

»Aber was soll denn dabei herauskommen?«

»Das«, sagte Hardy, »ist genau die Frage, der wir uns widmen. Am anderen Ende des Rohrs ist ein Photonenstrahl, den der Frosch passieren würde, wenn er denn so weit käme. Sollte er ihn erreichen, würde er damit das Kraftfeld ausschalten.«

»Er wird ihn erreichen«, murmelte Grote.

»Nein. Er wird kleiner und kleiner werden und seine Sprünge immer kürzer. Für ihn wird sich das Rohr immer mehr verlängern, ins Endlose. Er wird niemals dort ankommen

Sie funkelten einander an. »Seien Sie sich da nur nicht so sicher«, sagte Grote.

Sie sahen durch das Fenster in das Rohr. Der Frosch hatte eine ziemliche Entfernung zurückgelegt. Er war kaum noch zu erkennen, ein kleiner Punkt, kaum größer als eine Fliege, der sich fast unmerklich im Rohr voranbewegte. Er wurde kleiner. Klein wie ein Staubkorn. Und verschwand.

»Du liebe Zeit«, sagte Pitner.

»Pitner, gehen Sie jetzt«, sagte Hardy. Er rieb sich die Hände. »Grote und ich haben miteinander zu reden.«

Er schloß die Tür hinter dem jungen Mann ab.

»Also gut«, sagte Grote. »Sie haben das Rohr konstruiert. Was ist mit dem Frosch passiert?«

»Nun ja, er hüpft immer noch herum, irgendwo in einer subatomaren Welt.«

»Sie sind ein Betrüger. Dem Frosch ist in dem Rohr irgend etwas zugestoßen.«

»Na«, sagte Hardy. »Wenn Sie das glauben, sollten Sie das Rohr vielleicht einmal persönlich in Augenschein nehmen.«

»Das werd ich tun. Vielleicht finde ich eine - Falltür.«

»Wie Sie wollen«, sagte Hardy grinsend. Er drehte das Gas ab und öffnete die große Metalltür.

»Geben Sie mir die Taschenlampe«, sagte Grote. Hardy reichte ihm die Taschenlampe, und er kroch grunzend in das Rohr. Hohl hallte seine Stimme wider. »Und keine faulen Tricks jetzt.«

Hardy sah zu, wie Grote verschwand. Er beugte sich vor und schaute in die Rohröffnung. Grote war unter Anstrengung in der Mitte des Rohrs angekommen. »Was ist?« fragte Hardy.

»Zu eng ...«

»Ach ja?« Hardys Grinsen wurde breiter. Er nahm seine Pfeife aus dem Mund und legte sie auf den Tisch. »Nun, dagegen können wir wohl etwas unternehmen.«

Er knallte die Metalltür zu. Er eilte zum anderen Ende des Rohrs und schaltete das Kraftfeld ein. Röhren glühten auf, Relais rasteten ein.

Hardy kreuzte die Arme. »Dann spring mal, mein lieber Frosch«, sagte er. »Spring, was du nur kannst.«

Er ging zum Gashahn und drehte ihn an. - Aus: Philip K. Dick, Der unermüdliche Frosch. In: Ders., Kolonie. Sämtliche Erzählungen Bd. 2. Zürich 1999 (zuerst 1953)

Frosch Experiment
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