Freudenfeuer  Eines Abends erblickte ich einen Schober frischgeschnittenen Korns, der auf die Drescher wartete. Er war höher als ein Haus und ich ein Dreikäsehoch, mit einem Zündholz in der Hand.

«Welch ein schönes Freudenfeuer!» sagte ich mir, «und ganz für mich allein!»

Schon rieb ich das Zündholz an einem Stein, ich warf es in das Stroh und setzte mich ein wenig abseits nieder, um das Schauspiel zu betrachten.

Man fand mich dort im hellen Feuerschein, allzu nah, als daß mein versengtes Gesicht mich nicht des Verbrechens überführt hätte.

«Ich war es», sagte ich sofort.

Niemals auch habe ich mich einer Tat geschämt oder Gewissensbisse darüber empfunden.

Und wie ich den Zorn ansteigen sah in allen ringsum, glaubte ich, doch ohne zu zittern noch zu erbleichen, man werde mich nun auf der Stelle statt des Korns zermahlen, das ich zu früh gebacken hatte.   - Marcel Jouhandeau, Elise erzählt. In: M. J., Elise. Reinbek bei Hamburg 1968 (zuerst 1933 ff.)

Freudenfeuer (2)  Alfred Arthur Rouse, ein siebenunddreißigjähriger Handelsvertreter aus London, war ein geradezu krankhafter Schürzenjäger. Nicht nur, dass er in Bigamie lebte, er soll auf seinen Dienstreisen auch noch an die achtzig Frauen verführt haben. Irgendwann wurde ihm der Boden zu heiß, und er wollte untertauchen, am liebsten gleich seinen Tod vortäuschen. Also nahm er am sechsten November einen Anhalter mit, tötete den Mann auf einer einsamen Landstraße in Northamptonshire, übergoss ihn mit Benzin, setzte den Wagen in Brand und machte sich aus dem Staub. Zu seinem Pech begegneten ihm zwei junge Männer, die auf dem Heimweg in ihr Dorf waren und ihn auf den Brand ansprachen. Er rief im Vorübergehen: >Sieht aus, als hätte jemand ein Freudenfeuer angezündete Dieses zufällige Zusammentreffen half, ihn zu überführen. Hätte er sich im Straßengraben versteckt, bis die beiden vorbei waren, wäre er vielleicht nie erwischt worden.   - P. D. James, Im Saal der Mörder. München 2004

Freudenfeuer (3)  Ich weiß nicht, ob es an der allgemeinen Erregun lag oder ob die guten Leute rings um das Freuden-feuer mit jedem Augenblick tatsächlich mehr erleuchtet wurden — jedenfalls ergriffen sie nun Maßnahmen, bei denen ich ihnen auf die Dauer kaum noch folgen konnte. So warfen beispielsweise eini-^ ge ihre Heiratsurkunden in die Flammen und erklärten sich zu Anhängern einer höheren, heiligeren und umfassenderen Bindung, als es jene ist. die seit Anbeginn der Zeiten in Form des ehelichen Bandes bestanden hat. Andere begaben sich eilends in die Gewölbe der Banken und die Schatzkammern der Reichen — die allesamt in dieser schicksalhaften Stunde dem ersten, der kam, offenstanden — und holten ganze Ballen Papiergeld, um die Glut zu entfachen, und Tonnen von Münzen, die in ihr dahinschmolzen. Hinfort, so sagten sie, solle die universale Nächstenliebe, ungemünzt und unerschöpflich, die goldene Währung der Welt sein. Bei dieser Botschaft erbleichten die Bankiers und die Börsenspekulanten, und ein Taschendieb, der in der Menschenmenge reiche Ernte gehalten hatte, fiel, vom Schlag getroffen, tot um. Einige Geschäftsleute verbrannten ihre Journale und Hauptbücher, die Quittungen und Schuldverschreibungen ihrer Gläubiger sowie alle übrigen Belege für die Außenstände, während eine wohl noch größere Gruppe ihren Reformeifer dadurch befriedigte, daß sie jede unangenehme Erinnerung an eigene Schulden hinopferte. Dann wurde der Ruf laut, es sei an der Zeit, die Grundbesitzurkunden den Flammen zu übergeben und alles Eand der Erde der Allgemeinheit zurückzuerstatten, da man es ihr unrechtmäßig genommen und höchst ungleich an Einzelpersonen verteilt habe. Eine andere Partei forderte, daß alle geschriebenen Verfassungen, Regierungserklärungen,    Rechtsvorschriften.    Gesetzbücher und alles andere, dem menschliche Findigkeit ihre willkürlichen Gesetze aufzuprägen gewagt habe, sogleich vernichtet werden müßten, damit die vollkommene Welt so frei sei wie der Mensch bei seiner Erschaffung.  - Nathaniel Hawthorne, Das Brandopfer der Erde. In: N. H., Das große Steingesicht. Stuttgart 1983 (Bibliothek von Babel 9, Hg. Jorge Luis Borges)
 
 

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