Fresser  Wenn ich von der Welt wie sie wirklich ist auf die Welt wie sie wirklich ist blicken könnte, sehe ich endlose Scharen widerwärtiger kleiner Leichenfledderer in ihren liederlichen, ausgefransten Kleidern aus menschlichen Hautfetzen unter auffallend häßlichen Geräuschen des Schmatzens und Schlingens und Knurrens und Fauchens so, wie eine Katze fauchen wird, der man das Hühnerbein wegnehmen will, das ihr soeben vorgeworfen worden ist, über noch kaum in Verwesung übergegangenen Leichen sitzen, die sie sich vom jüdischen Friedhof ausgebuddelt haben, in unübersichtlichen Straßenecken, wo niemand uns bei dieser wollüstigen Leichenfledderei sieht, mit halb aufgefressenen Leichen, die überall aus den Gräbern in Stadt und Land ausgescharrt worden sind, aus den Präpariersälen der Anatomien und den Sterbezimmern der Krankenhäuser und Bürgerhäuser fortgeschleppt worden sind, ihre grausam lustvollen Orgien des Fleisches und unstillbaren Genusses genießen.   - Peter O. Chotjewitz, Der Ghoul von der Via del'Oca. In: (schrec)

Fresser (2)  Im »Gebärhaus« drängten wir uns durch eine Menge Neugieriger und erblickten hinter dem Labortisch den völlig nackten Professor Vybegallo. Seine bläulich weiße Haut strahlte ein eigentümlich feuchtes Schimmern aus, sein feuchter Bart hing ihm herab wie einem Seehund, seine feuchten Haare verklebten ihm die niedrige Stirn, auf welcher ein tätiger vulkanischer Pickel prangte. Er ließ seine durchsichtigen, leeren Augen, ohne zu klimpern, sinnlos im Zimmer umherschweifen. Professor Vybegallo speiste. Das heißt er fraß. Auf dem Tisch vor ihm dampfte eine große Cuvette voll mit gekochter Kleie. Ohne auf sein Publikum zu achten, fuhr er mit der Hand hinein, holte sich eine kräftige Portion Kleie heraus, formte sie zu einem Knödel und schob das Produkt in seinen Freßschlitz, wobei er sich kräftig den Bart besudelte. Dabei gab er die sonderbarsten schmatzenden, knarrenden und schlürfenden Laute von sich, hielt den Kopf zur Seite und blinzelte aus zusammengekniffenen Äuglein hervor. Er schmolz förmlich dahin vor Genuß und Wonne. Von Zeit zu Zeit geriet er mächtig in Erregung (ohne dabei freilich sein Kauen, Schmatzen und Grimassenschneiden zu unterbrechen), faßte einen riesen Bottich mit Kleie und noch einen anderen Eimer mit Buttermilch, die neben ihm auf dem Boden standen, und rückte sie jedesmal ein Stück näher an sich heran. Am anderen Ende des Tisches machte sich die Hexenpraktikantin Stella zu schaffen. Sie hatte durchscheinende rosa Ohren, und ihr Gesicht war blaß und verweint. Mit zitternden Fingern schnitt sie von einem unermeßlich großen Laib riesige Stücke Brot zurecht und brachte sie mit ausgestreckten Händen Vybegallo hin, das Gesicht abgewandt. -  Arkadi und Boris Strugatzki, Montag beginnt am Samstag. Frankfurt am Main 1982 (st 780, Phantastische Bibliothek 72)
 
 

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