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jedermann waren andere Geschichten zu hören, die davon abrieten, der Mühle zu
nah zu kommen: die finsterste besagte, es hätten sich in dem verlassenen Anwesen
die Fremden eingenistet, Leute aus Osteuropa, die hier den Krieg überstanden
hätten und ihr Versteck auch danach nicht mehr aufgegeben; auch sie wuchsen
für mich zu Riesengröße heran, je öfter ich die Gerüchte über sie hörte; sie
waren verschlagen und gewalttätig, sie waren unverständlich und unnahbar - je
östlicher, desto gefährlicher der Menschenschlag, so wußte man -, und ich ahnte,
daß sie es mir nicht angesehen hätten in ihrer blinden Feindseligkeit gegenüber
den Einheimischen, daß ich selbst aus einer Familie kam, deren Ursprünge weit
im Osten lagen . . . dies sahen mir nur die Einheimischen an, und die Fremden
sahen anders als die hier Gebürtigen. Jenseits der Kohlenbahnlinie, südöstlich
eines halb unbewohnten Dorfes, tief in der verwilderten Senke, direkt an dem
verkommenen Zaun begann das Gebiet, welches der Osten war, und man drang nicht
ungestraft in diese Gegend vor. Man kehrte nicht ungestraft in den Schoß zurück.
- Wolfgang Hilbig, Alte Abdeckerei. Frankfurt am Main 1991
Fremde (2) Die Bahianer lieben den Fremden nicht.
Für die Afrikaner ist der Fremde der, der übers Meer kam, plünderte, Familien zerriss, die Schwächeren erschlug, die Kräftigeren brandmarkte und auf Schiffe pferchte.
Für die Weissen, die Herren in Bahia, sind die Fremden diese Afrikaner, die
hasserfüllt, abgemagert, von Krankheiten zerfressen, käuflich und verkaufbar
ankamen, zur Arbeit genötigt, ausgenützt, abgenützt, ausgelöscht, gefährlich
und gefürchtet. In Bahia ist - trotz der kitschigen Kruste, an der sogar die
Intellektuellen mitrösten - der Mensch durch Zahlen abgebildet worden. Das ausgestochene
Auge des Sklaven bedeutete die und die Wertminderung eines investierten Kapitals,
ein gewaltiges und oft erregbares Glied den und den Gewinnzuwachs in Gestalt
von verscheuerbaren Nachkommen. - (xan)
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