Freihalten  Herr Kloßen nahm mich vollständig in Anspruch. Dieser Herr, der nun nach meiner Rechnung 22,35 Mark (von mir gerade gepumpt) in der Sacktasche hatte, trank äußerst zügig das erste Bier in sich hinein, daraufhin gleich ein zweites, und er forderte mich auf, ebenfalls rasch zu trinken, »ich zahle alles.« Man muß dem Herrn Kloßen ohne weiteres zugestehen, daß er ein gutes Herz hat, unbeschadet seiner sonst oft unwürdigen Verhaltensweisen, und kaum verspürt er 5 Mark in der Tasche, möchte er alle Welt freihalten und mit allen Leuten brüderlich seinen Rausch teilen, solange es irgendwie noch geht. Diese Biere hier trank Kloßen zweifellos in der Hoffnung bzw. Vision seines Großkredits, zumal sich nun in der Unterhaltung herausstellte, daß Herr Kloßen auch bei seinem Heimaturlaub in Itzehoe Pech gehabt hatte. Er hatte da nämlich keck genug bei seiner geschiedenen Frau »gepennt«, die er als »zwar äußerlich nicht übermäßig, aber im Bette unbesiegt« charakterisierte »und, Eckhard, in der Nacht sind alle Katzen grau, das weißt du so gut wie ich«, schmetterte Herr Kloßen begeistert und nahm einen unmäßigen Schluck Bier, und deshalb habe er auch demnächst diese »Alte« wieder heiraten wollen, aber nun war Folgendes passiert: am Tag darauf war Kloßen zusammen mit semer kleinen Tochter zu seinen Eltern gefahren, und als er auf dem Klosett gesessen hatte und also nicht aufpassen konnte, hatte das Enkelkind den Großeltern brühwarm erzählt, daß Kloßen heute nacht bei der Mami geschlafen habe. Dies habe die Großeltern aus Itzehoe so erbost, daß sie ihren Sohn nicht nur hinausschmissen, sondern auch sofort enterbt hatten,

So hatte Herr Kloßen unmittelbar hintereinander Enterbung, das Nichteintreffen eines Lottogewinns, das Andrängen Rohleders und schließlich die Drohung eines Hausbesitzers erleben müssen. Aber erstens hatte er ja noch mich und zweitens sollte in drei Tagen der Großkredit eintreffen, »da läuft der Laden wieder«, fuhr Herr Klößen feurig fort, und dann: »Wenn das Geld kommt, dann zahle ich radiputz alle Schulden weg und bin wieder ein freier Mann.« Es gehe jetzt alles wie geschmiert: zuerst der Lottogewinn, dann das Geld vom Finanzamt, dann der Großkredit aus Stuttgart. Außerdem habe er jetzt mit Rohleder »ein todsicheres Lottosystem« erarbeitet, man brauche nur wöchentlich 128 Mark zu investieren, dann sei man in spätestens 18 Jahren Halhmillionär.  - Eckhard Henscheid, Die Vollidioten. Ein historischer Roman aus dem Jahr 1972. Mit Zeichnungen der Originalschauplätze von F.K. Waechter. Frankfurt am Main 1979

 

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