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Aus Lavaters Physiognomischen Fragmenten, nach Wikipedia
Frauenlächeln (2) »1939 in Rom widerfuhr mir etwas Wunderliches. Am Abend meiner Ankunft, nachdem ich mehr zur Nacht gegessen und getrunken hatte als gewöhnlich, begab ich mich in ein gewisses Haus, und ehe ich noch Zeit hatte, Furcht oder Ekel zu empfinden, gelang es mir, ein Mann zu sein.«
»Ah, ja ? Ausgezeichnet! Ausgezeichnet!«
»Das kam mir unglaublich vor, und schwankend vor Freude verließ Ich das Haus
und küßte alle Mauern und Tore, die zwischen der Stätte meines Sieges und der
Piazza San Silvestro lagen... Nachts träumte ich, daß ich das, was ich getan
hatte, noch einmal täte, und ich schrie dabei so laut, daß meine Wirtin im Morgenrock
herbeigelaufen kam. Da entdeckte ich, daß das Lächeln, das die Frauen mir zuzudenken
pflegten und das ich für ironisch und herausfordernd gehalten hatte, vielmehr
ein Zeichen aufrichtigen Entzückens war. Denn der Ausdruck im Gesicht der Dame,
den ich zwölf Stunden zuvor für bösartige Neugierde und Ironie gehalten hatte,
erwies sich sofort als der Widerschein eines Begehrens, das sie im gleichen
Augenblick, in dem sie mich kennenlernte, empfunden hatte, mir nämlich unter
intimeren Umständen zu begegnen. Ich entnahm es der befriedigten Röte ihrer
Wangen, als sie mein Zimmer betrat, und der Schnelligkeit, mit der sie herbeigeeilt
war, als habe der Wunsch, diesen Akt zu begehen, sie in die Lage versetzt, ihn
sofort zu begehen... Ich will nicht sagen, daß ich in dieser Nacht besonders
tollkühn gewesen wäre. Ich war satt und mußte mindestens sechs Tage warten,
bis ich spürte, daß es mit meiner Sättigung ein Ende nahm. Nach sechs Tagen
konnte ich in der Tat die Pensionsinhaberin und mich selbst glücklich machen,
und am nächsten Tage gab ich vor, krank zu sein, denn ich hätte sonst nicht
gewußt, wie ich die Unterbrechung unserer Beziehungen rechtfertigen sollte.
Das war die glücklichste Zeit meines Lebens. Ich war vierundzwanzig Jahre alt,
die Frauen waren mir von Herzen gut, und ich war alle acht Tage fähig, eine
von ihnen vor Freude überglücklich zu machen. Am nächsten Tage begannen dann
jedesmal die Lügen und Ausflüchte, weil ich es um jeden Preis vermeiden mußte,
mit ihr noch einmal zu schlafen... « - Vitaliano Brancati, Schöner Antonio. Nördlingen 1985
(Die Andere Bibliothek 7)
Frauenlächeln (3)
- Eric Stanton
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