rauenkörper Gelenke
liegen auf der Lauer; ihre Muskeln vibrieren unter einer moussierenden
Spannung. Die Kleider decken sie nicht fest; aus den Ärmeln schlüpft sie heraus,
aus der Halskrause. Der Schnitt ihrer Augen ist japanisch; wie eingeschlossene
schwarze Mäuschen rennen die Augen in die Lidwinkel, die Mitte, die Lidwinkel.
Die Backenknochen sind vorgemauert. Von ihrer Balustrade fällt der Vorhang der
rosagelblichen fleischigen Wangen und schlägt sich um den Kiefer. Unsichtbar
tritt der Wasserdampf aus ihrem Mund; zwischen den länglichen Schneidezähnen
haucht er den warmen verbrauchten Dunst des Mundes aus, der rot ausgeschlagenen
Höhle, von deren Wänden das Wasser wie in einem Kohlenbergwerk trieft. Wer mit
einem Kartenblatt vor den Augen ihren Kopf überdeckt, sieht einen toten Leib
da auf dem grünen Plüsch schaukeln, einen strammen Frauenorganismus, parfümiert
und in braunseidene Tücher verpackt, ein banales Ereignis, wie: eine Motte,
oder: eine zerknüllte Abendzeitung; ohne den Kopf lagert da ein toter Leib,
Muskeln mit aufgepolstertem Fett, Armen, starken Brüsten, ein geschnürter Bauch
mit windendem Eingeweide, ein rippenüberspanntes Faß mit dem schlüpfrigen Triebwerk
der Lungen, Gefäße.
- Alfred Döblin, Notizen zu: Wadzeks Kampf mit der Dampfturbine. München 1987 (dtv
2424, zuerst 1918)
Frauenkörper (2)
Die Frau: das waren völlig andere Oberschenkel
als die männlichen ... vielleicht erschienen sie schwächer, doch ließen sie
sich viel schwieriger öffnen als die männlichen, aufgrund wahrscheinlich stabilerer
Verankerungen im Bek-ken ... völlig andere Gesäßrundungen als die meinen, die
Düfte, die den zwischen diesen Rundungen verborgenen Eingängen entsprangen,
waren völlig andere. Ihr Anderssein war um eine noch weitere Dimension anders,
weil es aus dem freien Westen kam und in Westberlin gediehen war, in einer edlen
Gegend im Grunewald. Und auch ihre Hände waren ganz andere Hände, ihre Arme
waren anders, ihre Muskulatur war aus einem anderen, viel feineren Stoff als
alle sonst, die ich kannte.. . ihre DNS war eine absolute West-DNS. - Sie trug
nicht zwei Brüste mit handtellergroßen Brustwarzen flach auf dem Oberkörper,
sondern hatte dort winzige gespitzte Drüsen aus unbekanntem Material; sie litt
anscheinend ein wenig (auf sehr selbstbewußte Weise} an der fehlenden Fülle
dieser Formen, aber dies lag in der Absicht der Naturgottheit, die sie geformt
hatte in der etwas exzentrischen Idee, daß weniger Fülle die Kraft der Wünsche
haltbarer in der Tiefe des Leibs versenkt Und darunter folgte ein Bauch, der
an seiner jüngsten Stelle unter einem Haarteil auslief und verschwand (die Farbe
war rätselhaft, weil die künstliche Kopfhaarfarbe keinen Schluß zuließ), und
dort unter dem Haar löste sich alles auf (wie unter dem Kopfhaar) in reinen
Geist, der überzeitlich und darum unzeitgemäß war. Und der Verstand, der auf
.diesem Leib saß, war fließend und konnte deshalb vielleicht nicht so genannt
werden; man hatte ihn von Anfang an mit Freiheit beschenkt (wenn alles mit rechten
Dingen zugegangen war in ihrem Fall), weshalb er auch die härteste Logik aufzuweichen
vermochte. - Wolfgang Hilbig, »ICH« . Frankfurt am Main 1995
Frauenkörper (3) .-. offen gesagt, seit Jahren sehe ich die Frauen nicht mehr an... wahrscheinlich das Alter, und auch die Ereignisse ... wenn der Wald brennt, denken die lustigsten und die wildesten Tiere nicht mehr an Lappalien oder daran sich zu zerfleischen... was uns betraf, unser Wald brannte seit 39... zugegeben, es finden sich Ausnahmen, Leute, denen das ein Grund mehr ist, denen beim Foltern einer abgeht, die von ausgerissenen Augen und Zungen zu Liebesspielen angeregt werden... genau wie Kacke fressen und in den Pinkelbuden süffeln... dafür habe ich kein Talent,.. diese Dame da muß ich mir ansehen!... eine Vierzigerin... hübsches Gesicht, in gewisser Weise... mit sehr klaren, ausgeprägten Zügen... wo ich sagen würde, daß die Natur sich Mühe gegeben, das Bild vollendet hat... die Natur gibt sich nicht viel Mühe bei unseren «zerknitterten Püppchen» ... unseren bezaubernden, entzückenden Dämchen von der Buhne und in den Magazinen, stockdumm und noch stolz darauf... Kleiderpuppen», um die uns die Welt beneidet, Gesichter vermiest kunterbunt mit Schminke und falschen Wimpern... halb Anreißerin, halb Gänseliesel... ganz zu schweigen vom übrigen, der Körper ein Gerippe, Fettpolster, Zellenwassersucht, Körperhaare, Büstenhalter... Fräulein an der Theke, oder Kundinnen, sie haben die ganze Welt erobert!... jawohl!... Botschaften oder Fürstenbesuche, man braucht nur ein bißchen auszugehen und zu sehen wie die Massen hinter ihnen herstreichen... sie anflehen, daß sie umfallen ... gemeißelte Schönheiten, puh!... «so ungefähr», mit der Hippe gebastelt, die Beine verkümmert oder krumm, wackelnde Hintern, die Titten dito, und so was erzielt solche Einnahmen!
Aber da in Zornhof die Inge? hallo, Vorsicht! da hieß es ergriffen, beeindruckt
aussehen... das erwartete sie... schöne schwarze Mandelaugen... die Frauen begucken
sich seit der frühesten Kindheit im Spiegel, da kann man sich vorstellen, daß
mit vierzig Jahren ihr Zauber eingespielt ist... schön!... sie legte Wert darauf,
daß ich bezaubert war... bei mir, in puncto «Spiegel der Seele» ... wenn's unbedingt
sein muß, kann ich auch empfänglich sein... ihre Augen haben's - in sich...
gewöhnlich sind die Augen der Damen einfach «samtweiches Aas» ... bei ihr etwas
mehr, eine zu allem Bereite!... oh, nur ein Eindruck!... ich betrachtete sie
zum erstenmal... jetzt die Figur! man muß sagen, ich komme darauf zurück, man
muß sagen, daß die Welt sich nicht genug um die Körper kümmert, Sie brauchen
ftur mal die großen Illustrierten anzuschauen, du liebe Güte!,.. ich wiederhole
mich!... was für Museen von Scheusalen!... unbestreitbar! da vor Ihnen! nicht
«imaginär»!... diese Knie, diese Hintern, diese Fesseln, diese Krampfadern,
diese Brustwarzen!... diese armen Verkümmerten, diese Fettmassen, Wülste und
Wammen der hoch-Prämiierten Filmidole! Starmilliardärinnen, Hetären der Päpste!...
überflüssig die Waffen und Atome, um unser hübsches Menschengeschlecht zu
vernichten!... die Frauen sind schon nicht mehr zum An-sehen... ich meine vom
tierärztlichen Standpunkt, in der gesunden und rechtschaffenen Weise, wie Stuten,
Windhunde, Cockerspaniels Fasanen beurteilt werden. •,. es würde keine landwirtschaftlichen
Wettbewerbe mehr geben, wenn man die foâmmes preiskrönen müßte! Aber
die foâmmes bestehen ja nicht nur aus ihrem Körper!... du Flegel!
sie sind «Gefährtinnen»! und ihr Geplauder, ihr Charme und ihre Aufmachung?
prost Mahlzeit! wenn Sie zum Selbstmord neigen, wird es Ihnen bei dem Charme
und dem Geplauder drei Stunden täglich verdammt wohl tun, sich aufzuhängen...
hoch! und kurz! - Louis-Ferdinand Céline, Norden. Reinbek bei Hamburg
2007 (zuerst 1964)
Frauenkörper (4) Der
Mensch ist von allen geschaffenen Wesen das vollkommenste, der menschliche
Körper der vollendetste, und wenn auch einzelne Eigenschaften praktischer
in der Tierwelt vorhanden sind, so fehlt doch anderen Geschöpfen die bewunderungswürdige
Harmonie und Ausbildungsfähigkeit aller Eigenschaften. Der männliche Körper
ist der Ausdruck der geistig körperlichen Kraft,
der weibliche aber ist der der geistig körperlichen Schönheit.
Die weibliche Gestalt in ihrer edelsten Form zeichnet sich durch mittlere
Größe, zarte, kleinere Glieder, vorherrschenden Oberkörper, kürzeren Hals,
größeres Embonpoint, feinere Haut, zartere Züge und dadurch aus, daß die
Oberfläche des ganzen Körpers glatt, voll, rund und geschmeidig ist. Zu
große Frauen, starkgliedrige, magere Gestalten
entfernen sich von der ursprünglichen Schönheit des weibliches Ideals,
ebenso wie die mannähnlichen Frauen mit breiten Schultern und schmalen
Hüften. Im weiblichen Antlitz müssen die Flächen und das Auge den Vorrang
vor der Stirne, der Nase, dem Munde, Kinn und den Ohren haben. Das Auge
muß groß unter einer kleinen Stirne hervorglänzen, aber nicht brennend
die übrigen Zeugen des Geistes im Gesichte überstrahlen und verdunkeln.
Die Augenbrauen seien ein zartgewölbter feinbehaarter
Bogen, die Wimpern aber lang, denn dies gibt dem Auge
etwas Beseligendes. Die Nase sei klein, gerade,
nicht vorherrschend bemerklich, das Ohr klein und
anliegend, der Mund niedlich, aber die Lippen voll
und gelind aufgeworfen. Die Stellen am kleinen, rundlichen, eingezogenen
Kinne, an der Wange nach den Schläfen zu, müssen sanft und glatt sein.
Sie sind der Sitz hohen Reizes, hier wohnt Unschuld
und Grazie, der Anhauch höhern Ursprungs.
Die Bewegungen des Körpers müssen sanft, langsam, leicht, gemäßigt und
ungezwungen sein. — Das Antlitz des Weibes ist nur schön, wenn der Ausdruck
des Geistreichen sich mit der bezaubernden Freundlichkeit paart, die aus
Güte, Liebe, Unschuld und Frohsinn entspringt. Ein bloß Geist strahlendes
Weiberantlitz kältet, kann Erstaunen, nie Bewunderung,
am wenigsten Begeisterung erregen. - (
conv
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