Frau, schönste  »Es handelte sich darum, die königliche Mumie in das Büro des einen von ihnen zu transportieren, sie dort vorsichtig auszuwickeln und dann vielleicht das Antlitz und den Körper der schönsten Frau, die jemals existierte und die ein oft konstatiertes Wunder der Aufbewahrung intakt gehalten hatte, aus ihren Binden auftauchen zu sehen. ›Die schönste, ja, die schönste‹ , summte der Baron, als er sich entfernte, ich höre ihn noch...

Am folgenden Tag trugen zwei Arbeiter den Sarg unter dem Vorwand fort, daß eine Inventuraufnahme gemacht werden solle.«

»Sicherlich handelte es sich auch um eine Inventuraufnahme!!!«

»Einige Stunden später drang ich aus Neugier unter einem falschen Vorwand in das Kabinett des Barons ein.

Es war fürchterlich! Sechs oder sieben Greise waren dort damit beschäftigt, mit ihren Händen, die die Neugier ein wenig zittern machte, einen armen, vertrockneten, fleischlosen Körper zu betätscheln.

Die unglückliche Königin war keine Schönheit, versichere ich Ihnen; ich sah sie einen Augenblick, winzig und eingeschrumpft; und dennoch, denken Sie sich, Tage vergingen, ohne daß der Sarg mit seinem Inhalt zurückgebracht wurde.

Unaufhörlich kamen andere Greise, alle zugezogene Konservatoren, aus dem Saale, der ihnen zur Verfügung gestellt war, um ebenfalls die Überreste der Königin zu beklopfen, zu messen und zu beriechen, alle von der Idee, die sterbliche Hülle des schönsten Geschöpfes, das je gelebt, unter den Händen zu haben, völlig hypnotisiert.

Dies währte so lange, bis die Feuchtigkeit ihre Arbeit begann, und denken Sie nur, die nackte Mumie zersetzte sich.

Ein fürchterlicher Geruch erfüllte das ganze Büro.

Die Königin gehörte, wie gesagt, zur Dynastie der Ptolemäer, die, wie versichert wird, zu einer Zeit lebten, wo die Einbalsamierer ihr Geschäft nicht mehr verstanden.

Der Chef der tierärztlichen Schule versuchte vergebens mittels einer arsenik-haltigen Lösung, wenn ich mich recht erinnere, die Zersetzung aufzuhalten: nichts half, der Geruch, durch muffiges Arsenik verschärft, verschlimmerte sich noch!

Es war nicht daran zu denken, diese stinkende  Reliquie in die öffentliche Sammlung zu bringen. Bei einer Beratung hinter verschlossenen Türen, deren Ergebnis nur ich kenne, schwuren die Herren ›Konservatoren‹, die alle gleich schuldig und gleich entsetzt waren, ein so einzigartiges Stück der nationalen Sammlung und ihre beneidenswerte Stellung aufs Spiel gesetzt zu haben, sich gegenseitig,  alles geheimzuhalten.  Nachdem die Siegel, die ihn schützten, geschickt wiederhergestellt waren, ließen sie den Sarkophag leer an  den  Platz zurücktragen, den er niemals hätte verlassen dürfen!«

»Und die Königin?« fragte ich.

»Baron B. ließ sie nächtlicherweile begraben, in einem Kübel eines Orangenbaumes.«    - Maurice Sandoz, Die Leiden der Kleopatra. In: M. S., Am Rande. Zürich 1967

Frau, schönste (2)  Wir laufen manchmal hinter Menschen her, deren Äußeres uns Eindruck gemacht hat, wie junge Verliebte hinter einer Maske her sind, weil sie sie für das schönste Weib der Erde halten; und sie necken sie so lange, bis sie sich ihnen entdeckt als ein kleiner schwarzbärtiger Mann.  - (vauv)
 
 

Frau, schöne

 

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