Frau, anständige
 

Nächtliches Abenteuer

Ging da neulich über den Potsdamer Platz
Um 1 Uhr nachts ein allerliebster Fratz.
Ich sprach die Kleine an mit frecher Stirne:
„3 Mark mein Schatz?"

Sagte, sie sei empört
Und finde so etwas unerhört,
Und sagte, sie sei keine Dirne
Und es sei ihr etwas wert, ihr Name,
Und sie sei eine anständige Dame
Und sie gäbe sich nicht für 3 Mark her

Und sie nähme mehr.

- Alfred Lichtenstein

Frau, anständige (2)  Susanna Moissejewna musterte ihren Besuch aufmerksam, zog eine saure Miene und seufzte.

»Ich begreife nicht, warum die Leute eigentlich immer heiraten wollen!« sagte sie und suchte ringsum vergeblich nach ihrem Taschentuch. »Das Leben ist ohnehin so kurz, und man hat so wenig Freiheit, und da will man sich selber Fesseln anlegenlassen.«

»Die Ansichten sind verschieden...«

»Na ja, natürlich sind die Ansichten verschieden ... Aber hören Sie: heiraten Sie etwa ein armes Mädchen? Oder gar aus Liebe? Und warum brauchen Sie unbedingt fünftausend und nicht vier oder drei?«

Mein Gott, hat die eine Plapperzunge! überlegte der Leutnant und entgegnete:

»Es handelt sich darum, daß ein Offizier nach den Buchstaben des Gesetzes erst heiraten, darf, wenn er achtundzwanzig Jahre alt geworden ist. Wer früher heiraten will, der muß entweder den Dienst quittieren oder eine Kaution von fünftausend Rubel stellen.«

»Aha, verstehe. Hören Sie, Sie sagten vorhin, die Ansichten seien verschieden... Es mag sein, daß Ihre Braut ein sehr besonderes und bemerkenswertes Geschöpf ist, allein... ich kann absolut nicht begreifen, wie ein anständiger Mensch es mit einer Frau aushaken kann. Kann ich nicht verstehen, und wenn Sie mich totschlagen. Ich lebe ja bereits mit Gottes Beistand seit siebenundzwanzig Jahren, und doch habe ich zeit meines Lebens nicht eine einzige halbwegs erträgliche Frau angetroffen. Alle sind affektiert, sittenlos und verlogen... Ich dulde in meiner Nähe nur Zofen und Köchinnen; die sogenannten anständigen Frauen lasse ich nicht einmal auf die Entfernung eines Kanonenschusses an mich heran. Gott sei Dank hassen sie mich und drängen sich mir nicht auf. Wenn eine von ihnen Geld braucht, schickt sie den Mann zu mir, selber aber wird sie sich um keinen Preis liier zeigen, und nicht etwa aus Stolz, nein, einfach aus Feigheit.«   - Anton Tschechow, Morast. Nach (tsch)

Frau, anständige (3)   Da es meine Absicht ist, zu beweisen, daß wir schleunigst unsere Bräuche ändern müssen, wenn wir unsere republikanische Staatsform beibehalten wollen, werde ich versuchen, euch zu überzeugen, daß die Prostitution von Frauen, die man gemeinhin anständig nennt, nicht gefährlicher ist als die der Männer. Nicht nur sollten wir diese Frauen an den Ausschweifungen in den von mir geforderten Häusern teilnehmen lassen, sondern sogar speziell Häuser für sie einrichten, in denen sie ihre Launen und die in ihnen angelegten Triebe, die doch viel heftiger sind als die unsrigen, ebenso mit allen Geschlechtern befriedigen könnten.    - Marquis de Sade, Die Philosophie im Boudoir. Gifkendorf 1989 (zuerst ca. 1790)

Frau, anständige  (4)  Höchst gefährlich durch ihre Niedertracht sind  die leidenschaftlich anständigen Frauen, die die Treue nicht brechen, weil niemand jemals versucht hat, sie zu Fall zu bringen. Hinterlistige, finstere Seelen, gefährlich wie Hochspannungsleitungen, sind dann noch diese sauer gewordenen, scharfen, ekligen Jungfrauen, vergiftet, korrumpiert von drängenden, drückenden Gefühlen.

Nun wohl, ihr armen, alt gewordenen Jungfrauen! Euch bleibt ein Sicherheitsventil: die Hinterlist, die Niedertracht, die Bosheit.  Ich habe euch kennengelernt, ihr sauer gewordenen Jungfrauen, in den Salons, am Strand, in den Hotels, auf der Universität; ich habe euch kennengelernt, ihr Ameisenspiritus absondernden Jungfrauen! Ich erinnere mich, erinnere mich... Ihr nahmt Eisen, Phosphor, Brom, Pflanzentees, Strychnin, Fowler's Arsenlikör, und ihr erbracht das Gift des Klatsches, der Verachtung, der Verleumdung. - Pitigrilli, Betrüge mich gut. In: P., Betrüge mich gut. Reinbek bei Hamburg 1988 (rororo 12179, zuerst 1922)

Frau, anständige  (5) »Ach, die Bürger sind ein übles Volk, und erst ihre Töchter: feiges Gesindel! Sie bringen es fertig, sich mit dem Klotz noch zu brüsten, den ihnen ihre Herkunft ans Bein gebunden hat.«

»Sie ereifern sich! Können Sie sich nicht einfach sagen: Die honetten Jungfern des Dritten Standes erheben eben den lächerlichen Anspruch, daß man ihnen ihre Anständigkeit weit teurer bezahlt, als sie wert ist ... Sollten Sie in letzter Zeit vielleicht eine kleine Affäre mit so einer Dame gehabt haben? Wenn ich mir das recht überlege, deutet ihr überstürztes Auftauchen in Brüssel auf solch ein Drama.«

»Weder Drama noch Komödie, nur etwas ganz und gar Erbärmliches — Schwamm drüber! Aus und vorbei! Nur, ich hab die Nase voll von den Frauenzimmern, die einen Moraltraktat an der Stelle tragen, wo andere ein Herz haben, und die sich darauf verstehen, die Sinne unter Skrupeln zu ersticken. Ah, Weiber ohne Seele müßte man finden, ohne Sitten, glorreiche Prachtgestalten, ohne Ichbewußtsein, in den grellbunten Röcken der Jugend ...«

»Da wird's nicht fehlen«, sagte Issacar. »Ich kann Ihnen nur nicht versprechen, daß es Ihnen bei deren Unmoral im Grund nicht genauso schnell langweilig wird wie bei der Moral der anderen; aber sie ist auf jeden Fall weniger monoton und wird Ihnen von Zeit zu Zeit Spaß machen. Es sind brave Pflänzchen ...« - Georges Darien, Der Dieb. Nördlingen 1989 (Die Andere Bibliothek 54, zuerst 1897)

Frau, anständige  (6)  Wer dabei bleibt, daß die Prostitution in direktem Gegensatz zu der eigentlichen Natur des Weibes steht, der tue einmal die Augen auf, um zu sehen, wie zahllose «anständige» und geachtete Frauen in der Ehe vollständig das Leben einer Prostituierten führen mit dem einzigen Unterschied, daß es nur ein Mann ist, anstatt mehrerer, dem sie sich tagtäglich ohne Liebe und ohne Sinnlichkeit hingeben und der sie dafür versorgen muß – ohne daß sich ihr Gefühl jemals dagegen empört. - Franziska Gräfin zu Reventlow, Das Männerphantom der Frau (1898)

Frau, anständige  (7)  Viel zu weit ging wohl die Mutter, die ihrem die Universität beziehenden Sohne sagte: „Hüte dich, lieber Karl, vor liederlichen Menschern, und kannst du es nicht lassen, so sprich lieber eine ehrliche Frau an, sie wird dir's nicht abschlagen."   - (kjw)

Frau, anständige  (8)  

- N. N.

 

Frau Anstand

 

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