Frau,  analysierte   Véronique war «in Analyse», wie man sagt; heute bedaure ich es, ihr begegnet zu sein. Allgemeiner gesprochen, man darf sich von Frauen, die in Analyse sind, nichts erwarten. Eine Frau, die den Psychoanalytikern in die Hände gefallen ist, wird für jede Verwendung unbrauchbar, das habe ich oft festgestellt. Dieses Phänomen sollte man nicht als Nebenwirkung der Psychoanalyse betrachten, sondern durchaus als ihr wesentliches Ziel. Unter dem Deckmantel der Ich-Stärkung betreiben die Analytiker in Wirklichkeit eine skandalöse Zerstörung des menschlichen Wesens. Unschuld, Großzügigkeit, Reinheit ... das alles wird zwischen ihren groben Händen bald zerrieben. Die überbezahlten, eitlen und dummen Psychoanalytiker vernichten bei ihren so genannten Patienten ein für alle Mal jede geistige und körperliche Liebesfähigkeit; sie verhalten sich in der Tat wie die leibhaftigen Feinde der Menschheit. Diese gnadenlose Schule des Egoismus macht sich mit dem größten Zynismus an nette, ein wenig verwirrte Mädchen heran, um sie in niederträchtige Flittchen zu verwandeln, die nichts anderes mehr zu erregen vermögen als berechtigten Abscheu. Einer Frau, die einem Psychoanalytiker in die Hände geraten ist, sollte man nicht das geringste Vertrauen schenken. Engherzigkeit, Egoismus, arrogante Dummheit, keinerlei moralisches Empfinden, chronische Liebesunfähigkeit: So sieht es aus, das erschöpfende Porträt einer «analysierten» Frau.

Véronique entsprach, wie ich hinzufügen muss, Punkt für Punkt dieser Beschreibung. Ich habe sie geliebt, so weit es in meiner Macht stand - und wozu ein großes Maß an Liebe erforderlich ist. Diese Liebe war reine Verschwendung, wie ich inzwischen weiß; es wäre besser gewesen, ich hätte ihr beide Arme gebrochen. Zweifellos hatte sie wie alle Depressiven seit jeher Anlagen zu Egoismus und Hartherzigkeit; aber ihre Analyse hat sie für alle Zeiten in ein richtiges Miststück ohne inneren Halt und Gewissen verwandelt - ein Abfallprodukt, eingewickelt in eisiges Papier. Ich erinnere mich, dass sie eine Art schwarzes Brett hatte, auf das sie sonst Dinge wie «Erbsen» oder «Wäscherei» schrieb. Eines Abends, als sie von ihrer Sitzung heimkam, hatte sie diesen Satz von Lacan hingeschrieben: «Je niederträchtiger ihr seid, desto besser geht es.» Ich hatte gelächelt; wohl zu Unrecht. Der Satz war in diesem Stadium nur ein Programm; doch sie sollte ihn Punkt für Punkt in die Praxis umsetzen. - Michel Houellebecq, Ausweitung der Kampfzone (1999, zuerst 1994)

Frauenversteher Psychoanalyse

 

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