Fortuna  Manchmal hat sie zwei Gesichter, ein schönes und ein häßliches, manchmal nur eines, das unversehens mutiert, einmal weiß ist, dann wieder schwarz. Bei Boccaccio, wo sie auf jeder zweiten Seite erscheint, ist es voller Grausamkeit und verbreitet Schrecken, das lange, dichte Haar hängt ihr über den Mund, dahinter drohende, brennende Augen. Dennoch ist sie blind oder hat öfter noch die Augen verbunden und jedenfalls keinen Blick für die Verdienste ihrer Kundschaft. Sind ihre Augen einmal doch zu sehen, lacht das eine, und das andere weint. Sie hat lange, dünne Finger, um damit zurückzuholen, was sie ausstreut, und zudem hat sie viele Hände, wovon die rechten Gutes, die linken Übles verteilen. Auch Flügel hat die Flüchtige, mit denen sie eilfertig das Weite sucht. Ihr buntes Gewand wechselt die Farben wie ein Chamäleon, und zu allem hin ist sie unsauber, ja verströmt mitunter einen Grabesgeruch.

Kaum appetitlicher sticht uns ihr Charakter in die Nase. Um sich ihrer Wirkung zu versichern, kann sie freundlich sein und uns schmeicheln. Doch stets behält ihr eitler Stolz die Oberhand, und ihr hemmungsloser Neid macht sich in rasendem Jähzorn Luft. Da sie weder Scham noch Mitleid kennt, sind ihr eigener Zeitvertreib und das Vergnügen, dem sie frönt, ganz und gar ungerecht und bösartig.  - Georg Brunold, Fortuna auf Triumphzug. Berlin 2011

Fortuna (2)

FLUELLEN Kennt Ihr ihn nicht? Da kommt unser Mann.

PISTOL Hauptmann, ich bitte dich, mir Gunst zu tun: Der Herzog Exeter ist dir geneigt.

FLUELLEN Ja, Gott sei gelobt, ich habe auch einige Liebe seinerseits verdient.

PISTOL Bardolph, ein Krieger, fest und stark von Herzen,
Von munterm Mute, hat durch grausam Schicksal
Und tollen Glückes grimmig wechselnd Rad
Der blinden Göttin,
Die auf dem rastlos rollnden Steine steht -

FLUELLEN Mit Eufern Verlaub, Fähndrich Pistol, Fortuna wird plind gemalt mit einer Binde vor ihren Augen, um Euch anzudeuten, daß das Glück plind ist. Ferner wird sie auch mit einem Rade gemalt, um Euch anzudeuten, was die Moral daraus ist, daß sie wechselnd und unbeständig ist, und Veränderung und Wankelmütigkeiten; und ihr Fuß, seht Ihr, ist auf einen kugelförmigen Stein gestellt, der rollt und rollt und rollt. In wahrem Ernste, von den Poeten sein gar fürtreffliche Beschreibung der Fortuna gemacht; Fortuna, seht Ihr, ist eine fürtreffliche Moral.

PISTOL Fortun ist Bardolphs Feind und zürnt mit ihm:
Er stahl nur ein' Monstranz und muß gehangen sein.
Verdammter Tod!
Der Mensch sei frei, der Galgen gähne Hunden,
Und Hanf ersticke nicht die Luftröhr ihm I
Doch Exeter hat Todesspruch erteilt
Um nichtige Monstranz;
Drurn geh und sprich, der Herzog hört dein Wort:
Laß Bardolphs Lebensfaden nicht zerschneiden
Mit scharfem Pfennigstrick und niederm Schimpf!
Sprich, Hauptmann, für sein Heil, und ich vergelt es dir!

FLUELLEN  Fähndrich Pistol,  ich verstehe gewissermaßen Eure Meinung.

PISTOL Nun denn, so freu dich des I

FLUELLEN  Gewißlich, Fähndrich, es ist keine Sache, um sich darüber zu freun; denn, seht Ihr, wenn er mein Pruder wäre, so wollte ich den Herzog bitten, nach bestem Belieben mit ihm zu verfahren und die Exekution an ihm auszuüben, denn Disziplin muß gehandhabt werden.

PISTOL So stirb und sei verdammt, und figo dir
Für deine Freundschaft!

FLUELLEN   Es Ist gut.

PISTOL Die spansche Feige!

Pistol ab. 

 - Shakespeare, König Heinrich der Fünfte (2. Teil)

 

Göttin

 

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