orscher  Richtigdenker, Wahrheitssucher, Vorausleber, Lebensaufspürer, Zweifler, Nichtglauber, Wahrheitsspitzel, Neugierer (s. Detektiv, Fälscher, Neugier), Schwindelentlarver (s. Lehrer, Unwissenschaftler). Der F. ist der freie, die Wahrheit sprechende Mensch, der Wissenschaftler der gewaltzaubernde, staatsgebundene Wortstanzer und Unsatzmacher. Darum auch hat sich noch keiner von ihnen an die Wahrheit herangetraut, denn sie ist die Entlarvung und Wegdenkung des Staats, dieser Futterkrippe für alle Wissenschaftler. Je gewöhnlicher ein Mensch ist (s. Bildung), um so leichter vermag er die Wahrheit zu erkennen. - (se)

Forscher (2)  Antoni van Leeuwenhoek wurde 1632 in Delft geboren. In seiner Freizeit beschäftigte er sich mit dem Schleifen von Linsen, aus denen er Mikroskope baute. Diese waren so lichtstark und hatten ein so hohes Auflösungsvermögen, daß Leeuwenhoek fast ganz allein das Feld der Mikrobiologie begründete. Mit Hilfe seiner leistungsstarken Mikroskope gelangen Leeuwenhoek zahlreiche bedeutende Entdeckungen.

Er beobachtete, daß Blattläuse sich durch Parthenogenese, also ungeschlechtlich, fortpflanzen. Von ihm stammt die erste genaue Beschreibung der roten Blutkörperchen, und er entdeckte, daß im menschlichen Speichel unzählige Bakterien leben. Schließlich untersuchte er auch seine eigene Samenflüssigkeit (was ihm lautstarke Beschuldigungen eintrug, unmoralisch zu sein) und fand die Spermien. - (pan)

Forscher (3)  Gajus Publius PLINIUS Secundus erblickte 23 n. Chr. in Como das Licht der Welt. Gelangte als Offizier der römischen Reiterei nach Germanien, Spanien und Nordafrika, später war er in Staatsgeschäften tätig und schließlich Befehlshaber der Flotte bei Misenum (Kap bei Neapel). Dieser Gentleman besaß ein Hobby, das ihn nicht losließ: die belebte Natur. Er sammelte aus römischen und ausländischen Schriften zoologische Fabeln und Berichte, ergänzte sie durch seine reichen Erfahrungen und faßte sie in einem Werk "Historia naturalis" in 37 Bänden zusammen. Dann brach 79 der Vesuv aus. "Auf die Kunde von diesem Ereignis ließ er mehrere Schiffe in See gehen, bestieg eines derselben und ließ die Schiffe an den Vesus heranführen. Unerschrocken machte er unter einem steten Regen heißer Asche und glühender Steine Beobachtungen und zeichnete sie auf."

In wahrem Feuereifer näherte er sich dem Vulkan ein wenig zu sehr; man fand ihn drei Tage später, wahrscheinlich erstickt an den heißen Schwefeldämpfen. - (buch)

Forscher (4) James Watson hat immer eine sarkastische Mischung von Offenheit und Schweigsamkeit an den Tag gelegt. Zu seiner nervös-gespannten Intelligenz gehört, daß er sich nicht zurückhalten kann, impulsive Reaktionen — auf ein wissenschaftliches Werk, einen Fall von Bürokratie, eine intellektuelle Schwäche eines Kollegen — laut zu äußern, die andere normalerweise zurückgeben. Das macht ihn zu einem unbequemen Gesellschafter und zum Thema unzähliger Anekdoten.

Watson ist anders: ungeduldig, skeptisch, ewig unzufrieden, die Enden von Wörtern und Gedanken verschluckend, mit einem Gesicht, das mit fünfzig nur ein wenig hagerer als auf den Bildern von 1953 aus Cambridge ist, mit eisblauen, hervortretenden, sogar etwas wilden Augen und vollen Lippen, die sich zu einem verkrampften, gedankenverlorenen Lächeln verengen. - Horace Freeland Judson, nach: Robert Shapiro, Der Bauplan des Menschen. Frankfurt am Main 1995 (it 1709, zuerst 1991)

Forscher (5)  Der Aufsatz über Leonardo sticht unter den anderen Werken Freuds hervor, weil er so abenteuerlich romanhaft und nach »Groddeckscher« Art ist (»das einzig Schöne, das ich je geschrieben«, nannte Freud es mit einer gewissen Koketterie am 9.2.1919 in einem Brief an Lou Andreas Salomé, die Briefpartnerin mit der größten literarischen Autorität). Es ist aber auch das Werk, das am ehesten auf wackligen Füßen steht und an einigen, wesentlichen Stellen schon fast an Scharlatanerie grenzt. Es geht darin um eine merkwürdige Kindheitserinnerung Leonardos, in deren Mittelpunkt ein Milan steht: Freud liest in einer falschen deutschen Ubersetzung »Geier« statt Milan und baut ein kompliziertes Gebäude von mythologischen und biographischen Folgerungen auf dem Mißverständnis auf. (Infolge der von Freud verwendeten falschen Übersetzung ging Oskar Pfister so weit, im Faltenwurf der Madonna im Gemälde der Heiligen Anna Selbdritt im Louvre das Profil eines Geiers zu erkennen und es als »unbewußtes Kryptogramm« zu interpretieren.) Dieser und weitere, nicht unwesentliche Fehler sowie die Vorsicht gegenüber einer Leserschaft, von der Freud wußte, daß sie am Nachweis von Leonardos Homosexualität Anstoß nehmen würde, machen diesen Aufsatz, der stellenweise sehr schön zu lesen ist, zu einem willkürlichen Experiment. Sie geben auch denen recht, die wie Sebastiano Timpanaro in dem Aufsatz über die Freudsche Fehlleistung (Il lapsus freudiano. Psicanalisi critica testuale, Florenz 1974) die Rationalität der Offensichtlichkeit und die Wirkung mechanischer Kräfte an die Stelle mancher Enthüllungen, psychoanalytischer Schürfereien und Werkeleien des Unbewußten setzen.

In Freuds Text wird Leonardos Abscheu vor allem »Essensmäßigen«, Niedrigen, Leiblichen — also nicht nur die Verweigerung, sich von Tierkadavern zu ernähren — nahezu völlig außer acht gelassen und schon gar nicht mit seinen sexuellen Neigungen in Verbindung gebracht. »Der Mensch und die Tiere sind wahrhaft Durchzugsort für Nahrung, Beisetzung von Tieren, Herberge der Toten, Hülle der Verwesung, da sie Leben schöpfen aus der anderen Tod.« Ich sehe eine enge Verbindung zwischen dieser und vielen weiteren ähnlichen Außerungen Leonardos und jenem von Freud zitierten Gedanken: »Der Zeugungsakt und die dazu dienenden Geschlechtsteile sind von einer solchen Häßlichkeit, daß die Menschen bald aussterben würden, wären da nicht die hübschen Gesichter, die Aufmachung der Beteiligten und die sinnliche Veranlagung.« Freuds wiederholter Verweis auf die »gute Stiefmutter Donna Albiera«, bei welcher der kleine Leonardo im väterlichen Haus aufgenommen wurde und die ihm als Modell für die heilige Anna des Kartons in London und des Gemäldes im Louvre dienen sollte, läßt den »Gedanken zur Natur« (XCVIII) außer acht, in dem Leonardo von einer stiefmütterlichen Natur schreibt:

»Die Natur scheint hier doch bei vielen und für viele Tiere eher eine grausame Stiefmutter gewesen zu sein als eine Mutter, oder für einige zwar nicht Stiefmutter, so doch armselige Mutter.« Mit der Emanzipation von der Autorität der Alten — also des Vaters — wurde für Leonardo laut Freud »die Natur wieder die zärtliche, gütige Mutter, die ihn genährt hatte« (Kindheitserinnerung, a.a.O., S. 78); was die Frau des Vaters betrifft, läßt Freud sich zu der Vermutung hinreißen: »Gewiß trat die junge Stiefmutter Albiera an die Stelle seiner Mutter in seinem Fühlen« (ebenda, S. 75) Die war im übrigen aber am Leben, war nahe und wurde geliebt. Weiter erscheint Freud »die gütige Natur« als die »großartige Sublimierung von Vater und Mutter« (S. 79) — was mag dann die Natur als »grausame Stiefmutter« sein?

Leonardo war laut seinen zeitgenössischen Auftraggebern und zahlreichen späteren Forschern (einschließlich Freuds) von einem Wissensdurst beherrscht, der bis zur Nutzlosigkeit ausartete. Dabei hatte er Vorhaben von niederschmetternder Entschlossenheit geäußert: »Der große Vogel wird zum ersten Flug aufsteigen...« Vor allem: »Spule, ich werd dich so antreiben, daß das Leinen fertig wird« (Pensieri sulla morale, LIII).

Freud, der Leonardos Aufzeichnungen im übrigen kaum kennt, hält sie für »eines so großen Geistes kaum würdig« (S. 16). Freud achtet mehr darauf was Leonardo von sich verschweigt oder was er unbedacht äußert, als auf das, was er denkt und schreibt. In gewisser Hinsicht bedauert er, daß Leonardo da Vinci so wenig Freudianer sei. »Doch blieb sein Wissensdrang auf die Außenwelt gerichtet, von der Erforschung des Seelenlebens der Menschen hielt ihn etwas fern; in der ›Academia Vinciana‹, für die er kunstvoll verschlungene Embleme zeichnete, war für die Psychologie wenig Raum« (S. 22). Uber Leonardo als Knotenflechter und Tagedieb liest man besser bei Giorgio Vasari, Lebensläufe der berühmtesten Maler, Bildhauer und Architekten (Zürich 1974): »Er verwandte seine Zeit sogar darauf, komplizierte Schnurgeflechte so abzubilden, daß man die kreisförmigen Figuren, die jeder Faden beschreibt, von einem Ende zum anderen verfolgen kann. Es existiert eine besonders kunstvolle und schöne Zeichnung dieser Art, in Kupfer gestochen, in deren Mitte man die Worte liest: ›Leonardus Vinci Academia‹.« - Adriano Sofri, der Knoten und der Nagel. Ein Buch zur linken Hand. Frankfurt am Main 1998 (Die Andere Bibliothek 160, zuerst 1995)

Forscher (6) Den Rousseauschen edlen Wilden traf Alexander von Humboldt durchaus, doch der war gewöhnungsbedürftig.

Einer erklärte ihm stolz, wie er seine Frau mästete, um sie anschließend zu verspeisen. Humboldt stieß auf Kannibalen, er stieß auf Skelette und löste um ein Haar eine Stammesfehde aus. Seine Stärke: Er blieb von neugieriger Liebenswürdigkeit, von völliger Vorurteilsfreiheit, von geradezu kaltschnäuzigem wissenschaftlichem Interesse. Die Natur war grausam und schön zugleich, und darin interessierte sie ihn. - Spiegel 38 / 2004

Forscher (7)    Er las aufs neue Juda Halevi, seine Schrift über die Chasaren, setzte die Erklärung auf und reiste mit dem Gedanken ab, daß er sich dort vielleicht mit jemandem treffen würde, der etwas mehr als er über die chasarischen Angelegenheiten wußte. Derjenige, der Dr. Muawija in Istanbul ermordete, sagte, als er den Revolver auf ihn richtete:

»Sperr den Mund auf, damit ich dir deine Zähne nicht verderbe!«

Dr. Muawija riß den Mund auf, und jener tötete ihn. Er zielte so gut, daß die Zähne Dr. Muawijas unversehrt erhalten blieben.  - (pav)

Forscher (8)   Die Wahrheit aufzusuchen soll der Zweck unserer Tätigkeit sein; das ist das einzige Ziel, das ihrer würdig ist...

Jedoch zuweilen erschreckt uns die Wahrheit ... wir wissen auch, wie grausam sie oft ist, und wir fragen uns, ob die Illusion nicht nur viel tröstlicher, sondern auch viel stärkender ist; denn sie ist es, die uns die Zuversicht gibt... Das ist es, warum viele unter uns vor der Wahrheit erschrecken; sie betrachten sie als eine Ursache der Schwäche. Und dennoch darf man die Wahrheit nicht fürchten, denn sie allein ist schön.

Wenn ich hier von der Wahrheit spreche, so meine ich selbstverständlich in erster Linie die wissenschaftliche Wahrheit; aber ich meine auch die moralische Wahrheit, von der das, was man Gerechtigkeit nennt, nur eine Seite ist. Es mag scheinen, als ob ich mit Worten spiele, als ob ich unter einem Namen zwei Dinge vereinige, die nichts Gemeinsames haben; daß die wissenschaftliche Wahrheit, die man beweisen kann, in keiner Weise der moralischen Wahrheit gleicht, die man fühlen muß.

Und doch kann ich sie nicht trennen, und die, welche die eine lieben,  können nie die andere nicht lieben. Um die eine wie die andere zu finden, muß man sich bemühen, seine Seele vollkommen freizumachen vom Vorurteil und von der Leidenschaft; man muß zu unbedingter Aufrichtigkeit gelangen. Diese beiden Arten der Wahrheit verursachen uns, einmal entdeckt, die gleiche Freude; von dem Augenblicke an, da man sie erkannt hat, strahlt die eine wie die andere im gleichen Glanze, so daß man sie sehen oder die Augen schließen muß. Alle beide endlich ziehen uns an und fliehen uns; sie stehen niemals fest; wenn man glaubt, sie erreicht zu haben, sieht man, daß man noch weiter gehen muß, und der, der sie verfolgt, ist dazu verdammt, die Ruhe niemals kennenzulernen.  - Henri Poincaré, nach: Donal O'Shea, Poincarés Vermutung. Frankfurt am Main 2007

Forscher (9)  Lacomme verkaufte alle seine Webstühle und seinen gesamten Besitz, den er durch seine Arbeit erworben hatte, und war nun von morgens bis abends mit seinem Problem beschäftigt, und fast immer auf dem Boden seines Brunnens, um Quadersteine anzuordnen und zu vermessen und um nach allen möglichen Mitteln und Wegen zu suchen, diese große Entdeckung zu machen.

Leider waren seine Mittel, ein so wunderbares Ergebnis zu erzielen, sehr beschränkt, denn er konnte nicht nur weder lesen noch schreiben, sondern kannte nicht einmal die Zahlen. Als man ihm daher sagte, Archimedes habe herausgefunden, das ungefähre Verhältnis des Umfangs zum Durchmesser sei etwa 22 zu 7, Newton etwa 3,14 zu 1 und Mérius, etwa 355 zu 113, waren das für ihn böhmische Dörfer. Doch er gab sich nicht geschlagen und dachte sich, um ganz allein die Zahlen zu lernen, eine sehr einfache Methode aus, die jedoch auf eine große Willenskraft schließen läßt. Er begab sich nach Auch, wo er sich, vom ersten Haus in der längsten Straße ausgehend, aufmerksam die Nummer 1 ansah, die er abschrieb, dann drehte er sich um und schrieb die Nummer 2 ab, dann 3 und 4 und so fort bis ans andere Ende der Straße. So lernte er nicht nur, Zahlenzeichen zu bilden, sondern auch alle Zahlen hintereinander zu schreiben, bis zur Nummer des letzten Hauses, die über die Zahl 100 hinausging. Mehr brauchte er nicht, um das Gesetz zur Bildung der Zahlen im Dezimalsystem, darüber hinaus auch das gesprochene Zahlensystem und das geschriebene Zahlensystem zu erraten. Nachdem er dann die Zahlen auf seine Weise miteinander kombinierte, fand er zum Multiplizieren und zum Dividieren eine Methode, die Erstaunen hervorruft, derart kürzt sie die Rechenoperationen ab, und bald wurde er ein großer Rechner.  - Nach (lim)

Forscher (10)

Comic No. 1

In Gotham-City
gibt es nicht
nur Küchen, die
vollautomatisch

reagieren. Auch
das Allgas des
Dr. Richard Marsten
zum Beispiel ist

gleichzeitig noch
für etwas anderes
da, deshalb bleibt
Batman alias Bruce

Wayne alias Batman
vom Küchendienst
befreit. Was aber
tut er als erstes?

Batman geht in die
Küche und trifft
dort auf Robin,
der dem Forscher Dr.

Richard Marsten ein
Omelette à la française
zubereitet, das heißt
er kaut ihm einen ab.

Jetzt hat es Batman
alias Bruce Wayne
alias Batman noch
schwerer als vorher

denn er fragt sich
ob er nicht auch
so ein Forscher ist,
der nichts als

forscht: wenn auch
in die falsche Richtung.

  - Rolf Dieter Brinkmann, Standphotos. Gedichte 1962 - 1970. Reinbek bei Hamburg 1980 (zuerst 1968)

Beruf Methode
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