lottenkapitän  1. Seine kleidung ist blau, sein vollbart blond, in geschichtenbüchern heißt er »hero«, er ist meist in Cuxhaven oder Brest, Harwich oder Philadelphia geboren, und selbst seine neider müssen eines zugestehen: mit wind und wellen kennt er sich aus.

2. Ein leben lang segelt er auf dem meer und er geht mit seinem schiffe lieber zugrunde, als daß er es verläßt; er hat einen ehernen charakter.

3. Auch russische flottenkapitäne haben ihr bestes geleistet, sie trugen gleichfalls vollbärte und guckten mit blauen augen in den nordischen himmel, oder, wie bei Tsushima, in die chinesische see.

4. Der mond geht auf und unter und an deck pennt die wache, die besatzungen träumen von fernem port, allein der flottenkapitän ist noch auf und blickt versonnen nach der fotografie seiner frau, die lebt in einem weißen haus mit gardinen und grünem efeu.

5. Im kriege wie im frieden tut der flottenkapitän nichts als seine pflicht. Ein erster offizier oder ein zweiter darf wenigstens murren - was aber darf er? Chef sein, heißt einsam sein, für alles sorge tragen, nächte schlaflos liegen, logbücher verfassen usw. usw.

 6. Als ein flottenkapitän zum erstenmal seinen vollbart wegrasieren ließ und bloß einen fashionablen schnurrbart zurückbehielt, gab es einen handfesten skandal, in Pola wars, 89, aber daran denkt heute kein mensch mehr.

7. Der flottenkapitän speist in der kapitänsmesse mit seinen besten Offizieren, er darf sie aussuchen, man dankt es ihm durch pflichttreue und ausdauer im dienst, man hält sich wie eine fahne im sturm.

8. Wenn auf hoher see eine windhose entsteht, bedeutet das, daß wieder ein verdienter flottenkapitän seine seemännische laufbahn erfüllt hat. O leget die hand an die mützen, denket nach und seid euch eurer eignen Vergänglichkeit bewußt, sind wir ja doch nur wind und wellen. - H. C. Artmann, Fleiß und Industrie. Frankfurt am Main 1969 (es 320, zuerst 1967)

Kapitän
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