loß  Mit einbrechender Nacht bedeckten dicke Wolken den Himmel, und der Wind, welcher den ganzen Tag ziemlich heftig geweht hatte, fing jetzt an, gewaltig zu stürmen und das Meer aufzuregen. Die vorige Nacht war schon schrecklich gewesen, aber diese wurde es noch mehr.

Ungeheure Wellen schlugen über uns zusammen oder rollten zwischen uns gegeneinander. Glücklicherweise hatten wir den Wind im Rücken, so daß die Gewalt der Fluten durch die Schnelligkeit unserer Fahrt etwas gebrochen wurde. Wir trieben nach dem Land hin, das  ungestüme Meer schleuderte die Leute hin und her. Wir mußten uns im Mittelpunkt aufhalten, denn dies war der festeste Teil. Diejenigen, die ihn nicht erreichen konnten, kamen fast alle um. Vorn und hinten schlugen die Wellen wütend in die Höhe und rissen die Menschen fort, sie mochten sich noch so sehr dagegenstemmen. In der Mitte standen wir so gepreßt, daß einige Unglückliche von ihren Kameraden, die über sie hinfielen, erdrückt wurden. Die Offiziere hielten sich am kleinen Mast fest und riefen, um der Woge zu entgehen, den ihnen zunächststehenden unaufhörlich zu, doch auf die Seite zu treten, denn die Wellen, die fast querwärts anprallten, machten, daß unser Floß beinahe senkrecht zu stehen kam, so daß man, um nur einigermaßen das Gleichgewicht zu halten, genötigt war, sich nach der Seite hinzuneigen, die eben von dem Meer gehoben wurde. -  Savigny, Corréard: Der Schiffbruch der Fregatte Medusa. Nördlingen 1987 (zuerst 1818)

Floß (2) Sie fliegen aufs Meer hinaus, weg von der Küste, wo noch Vögel die Heuschrecken jagten, über einem Wasser, das kahl ist, als wären schon andere Schwärme darüber hergefallen, über Wellen, auf denen nichts gedeiht und wo das Grün nur ein Schimmer ist. Sie kämpfen sich durch, nicht mehr hüpfend und springend, nur noch flügelschlagend, bis die ersten vor Erschöpfung niederfallen und von den Wellen weggespült werden. Doch dann fallen sie massenweise, ein Regen lahmer Flügel. Die Tiere, die zuhauf und gemeinsam ertrinken, verhaken sich mit ihren Sprungbeinen und Flügeln, und selbst die Fühler verweben sich, und die Ertrunkenen flechten ein Floß. Und die, die später fallen, klatschen darauf. Viele werden vom Aufprall weggeschleudert, andere hüpfen im Wasser und vergrößern das Floß. Doch ebenso viele bleiben liegen, erheben sich krabbelnd und kriechend, halten sich an die, die auch noch atmen, geben einander Deckung, rücken zusammen, und alle klammern sie sich an die Toten unter ihren Füßen und sind, den Kopf gesenkt, stumm wie diese. Das Floß leistet Widerstand, indem es sich hingibt, sich treiben läßt, wohin der Wind es auch jagt, dem es gefällt, sie in die Richtung zu treiben, aus der sie kamen. Kaum spüren sie die Küste, lösen sie sich von einander, setzen zum Sprung und zum Flug an und überlassen das Totenfloß dem Wasser. Was sie als erstes bei ihrem Anflug wahrnehmen, sind die weißen Punkte der schaumversiegelten Löcher, und dahinter tut sich ein Land auf, das gelb ist wie ihre Körper und fahl. Sie, die aus der Öde kommen, machen aus jeder Fremde jene kahle Heimat, aus der sie schon einmal aufgebrochen sind. - (loe)

Floß (3) Ein krummer schwarzer Ast senkt sich über sie wie eine Klaue und harkt den  Entdeckungsreisenden um ein Haar in die reißende Flut, zwei Baumstämme vom Umfang korinthischer Säulen küssen sich knapp vor dem Bug mit vulkanischem Getöse, während drei der Palisaden sich auf einmal von den anderen trennen, um. auf eigene Faust davonzurauschen, und ein entfernt pavianartiges Wesen, klatschnaß und mit gefletschten Zähnen, versucht, aus der Sturzflut herauszu-klettern, was Johnson mit wilden Schlägen der Bambusstange abwehrt ... wodurch die linke Flanke des Floßes aber offen für den Angriff eines ertrinkenden Leoparden ist, an dessen Rücken sich zwei Mangusten und ein Waran festklammern, und jetzt saust ein massiver schwarzer Block so groß wie der Mont Blanc auf sie zu wie ein außer Kontrolle geratenes Fuhrwerk... den Zusammenstoß verhindert der Entdeckungsreisende in letzter Sekunde geschickt, indem er sein Stakholz unter dem Splittern von Bambus nach vorn stößt und das Floß herumreißt, mit einem Ruck, der Pavian, Leopard, Mangusten, Waran und Johnson in die Strömung stürzt, Köpfe werden zerschmettert und untergetaucht, der Pavian ist weg, Johnson kämpft sich auf ein vorbeitreibendes Baumstammgewirr, das das Floß gleich darauf von hinten rammt, und Mungo beugt sich hinüber, um ihn wieder an Bord zu zerren... wo die beiden schon im nächsten Moment von einem Schwärm winziger, glitschiger, blattartiger Fische überfallen werden, die sich auf die Planken ergießen wie eine Attacke der Fallsucht, was Entdeckungsreisenden und Dolmetscher ausrutschen läßt, und nun tun die beiden nicht einmal mehr so, als beherrschten sie ihr Transportmittel, klammern sich nur noch hilflos an die morschen Palisaden, während das Floß von einem Guß zum nächsten torkelt...   - T. Coraghessan Boyle, Wassermusik. Reinbek bei Hamburg 1990

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