Fliegenklappe  »Erinnern Sie sich an einen gewissen Gabriel, der hier Kaufmann war und dann nach Sao José in Pajeú verzogen ist?«

»O ja, durchaus.«

»Erinnern Sie sich auch an seine Kusine Luciana?«

»Ja, auch an sie.«

»Eines Tages besuchte Gabriel sie in ihrem Hause. Onkel und Tante, Lucianas Eltern, waren ausgegangen. Gabriel trat ein und fand das Mädchen allein, auf einem Sofa liegend. Er setzte sich neben sie, ein Gespräch spann sich an, und mit dem Vorwand, sich den Abdruck eines Armbands auf ihrem Arm näher ansehen zu wollen, begann er sie zu streicheln. Wenige Augenblicke später war Luciana entjungfert. Zu ihrer beider Unglück wurde das Mädchen schwanger. Die Mutter, die alte Julieta, mißtraute der Sache, nahm ihre Tochter ins Gebet und entdeckte alles. Man brachte Luciana nach Campina; dort gebar sie ein Mädchen, das einer alten Verwandten von Gabriel übergeben wurde, die dort ansässig war. Ein oder zwei Jahre später fuhr die alte Julieta dorthin, holte die Enkelin in ihr Haus und zog sie auf, als ob es ihre Adoptivtochter wäre. Hier im Ort wußten aber alle, daß es Gabriels und Lucianas Tochter war. Und wissen Sie, was dann geschah? Wissen Sie es?«

»Ich weiß wohl. Das Mädchen hieß Leonore, wuchs heran und wurde 15 Jahre alt. Da entbrannte ihr Vater Gabriel in sexueller Leidenschaft für sie; er entjungferte und heiratete sie. Bei dieser Heirat wollte er drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: er wollte die Gerüchte, Leonore sei seine Tochter, öffentlich Lügen strafen, den Skandal einer neuen unehelichen Schwangerschaft umgehen und seiner geschlechtlichen Leidenschaft frönen.«  ---

»Hätte sich diese ganze Geschichte bei Leuten aus dem Volk abgespielt, so wäre entweder gar nichts passiert oder eine Tragödie daraus geworden. Entweder hätten Vater und Tochter im Einverständnis mit der Mutter des Mädchens als Ehepaar weiterhin zusammengelebt und miteinander verkehrt, oder es wäre zu einem Mord gekommen, wie dies auf dem Gut ›Pfefferbaum‹ der Fall gewesen ist; dort hat ein Mann seine Tochter vergewaltigt und dann getötet; es heißt, sie vollbringt jetzt Wunder. Aber da es sich in unserem Fall um Gabriel handelte, um Menschen wie Sie und mich, mußte die Geschichte so ausgehen, wie sie in der Tat ausgegangen ist: als Posse, als obszöne, groteske Posse! Verheiratet mit einem Vater, der zwanzig Jahre älter war als sie, wünschte sich Leonore mit der Zeit kräftigere Männer und begann, Gabriel zu betrügen. Nach alledem, was er mit Kusine und Tochter angestellt hatte, waren ihm schon Bockshufe und -schwanz gewachsen, die ihn als rechten Teufel erscheinen ließen: nun wuchsen ihm zum Ausgleich auch noch ein paar Hörner, und so wurde er zum vollständigen Teufel, auf den der ganze Ort mit Fingern zeigte: das Gelächter der Sündenschnüffler, der Intriganten, der Gevatterinnen und der heuchlerischen und aufdringlichen Tugendbolde folgte ihm auf den Fersen.«   - (stein)

Fliegenklappe (2)

- N. N.

 

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