Fleischmarkt   »Man wird Sie beim Gouverneur wahrscheinlich bestrafen«, sagte Prokofi unterwegs zu mir. »Es gibt eine Gouverneurswissenschaft, es.gibt eine Priesterwissenschaft, es gibt Offizierswissenschaft und Doktorenwissenschaft, und so hat ein jeder Beruf seine eigene Wissenschaft. Sie aber halten sich an keinerlei Wissenschaft, das kann man Ihnen unmöglich erlauben.«

Das Schlachthaus befand sich hinter dem Friedhof, und vormals hatte ich es nur von ferne zu Gesicht bekommen. Es bestand aus drei finsteren Schuppen, von einem grauen Zaun umgeben, und wenn der Wind von dort wehte, trug er an heißen Sommertagen erstickenden Gestank herüber. Während ich jetzt den Hof betrat, konnte ich im Dunkeln die Schuppen nicht sehen; wir begegneten immerzu Pferden und Schlitten, zum Teil leer, zum Teil schon mit Fleisch beladen; Menschen mit Laternen gingen auf und ab und gebrauchten abscheuliche Schimpfworte. Auch Prokofi und Nikolka schimpften genauso abscheulich, und die Luft dröhnte nur so vor ununterbrochenem Geschimpfe, von Husten und Pferdewiehern.

Es roch nach Kadavern und Mist. Es taute, der Schnee hatte sich bereits mit dem Kehricht vermengt, und im Dunkeln war mir, ich schritte durch Lachen von Blut.

Nachdem der Schlitten mit Fleisch vollgeladen worden war, begaben wir uns auf den Markt in den Fleischerladen. Es begann zu dämmern. Köchinnen mit Körben und auch ältere Damen in Umhängen tauchten eine nach der anderen auf. Mit dem Beil in der Hand und in weißer blutbespritzter Schürze, schwor Prokofi fürchterliche Eide und bekreuzigte sich in der Richtung zur Kirche, er schrie laut über den ganzen Markt und beteuerte, daß er Fleisch zu einem Sonderpreis hergebe und sogar mit Verlust. Er wog falsch, er rechnete falsch, und die Köchinnen sahen es, allein, betäubt von seinem Schreien, protestierten sie nicht, sondern nannten ihn nur einen Scharfrichter. Sein furchtbares Beil bald hebend, bald senkend, nahm er geradezu bildhafte Posen an und schrie jedesmal mit grausamem Gesichtsausdruck »heck!«, und ich fürchtete immerzu, ob er nicht am Ende gar irgend jemandem den Kopf oder die Hand abhauen würde.

Irn Fleischerladen verbrachte ich den ganzen Morgen, und als ich endlich zum Gouverneur ging, roch mein Pelzmantel nach Fleisch und Blut. Mein seelischer Zustand war so, als ob ich auf einen Befehl mit dem Jagdspicß auf einen Bären losgehen müßte.  - Anton Tschechow, Mein Leben. Nach (tsch)

Fleisch Markt

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