leischhandel Zu
allen diesen dunklen Erwerbs- und Einnahmequellen des Haarmann
in den Jahren 1922 bis 1924 kommt noch eine dunkelste, denn wenn es uns auch
gelingen sollte, den ganzen wunderlichen Komplex nach allen Seiten hin zu durchleuchten,
so bleiben doch zwei Punkte tief im Dunkel: Erstens: der unmittelbare Mordakt,
von welchem Haarmann, der sonst mit breiter Geschwätzigkeit alles aufklärt,
immer nur störrisch und widerwillig Beschreibungen gibt, und zweitens: der mystische
Fleischhandel, den er stets abschob auf einen Unbekannten namens „Schlachterkarl",
von welchem er bald aus Ricklingen, bald aus Ronnenberg, bald aus der Markthalle
das Fleisch bezogen haben will, welches er zur Hälfte des sonst für Pferdefleisch
üblichen Preises in kleinen knochenlosen Stücken oder als Hackfleisch auszubieten
pflegte. Er belieferte damit die Familie des Friseurs Wegehenkel und deren Bekannte
und bezahlte auch die Waschfrau Johanne Aisdorf, bei der er seine Wäsche reinigen
ließ, und durch die er gelegentlich auch Wäschestücke verkaufte (eine arme verkümmerte,
fast leichenhaft aussehende Frau), statt mit Geld immer nur mit frischem Fleisch.
— Vollends als er zu der Familie Engel in die „Rote Reihe" zog, wurde das
von Haarmann gelieferte Fleisch in der Speisewirtschaft des Vater Engel verwendet.
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Theodor Lessing, Haarmann. Die Geschichte eines Werwolfs. Berlin 1925
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