Fleischarten Seine Augen verfolgten das Spiel ihrer mächtigen Hinterbacken, bis diese aufhörten, die Luft im Mittelgang zu zermalmen, und der Körper der Frau eine Neunzig-Grad-Wendung machte, um dem Ausgang zuzustreben. Die zweite Seite des Winkels ermöglichte Carvalho die Feststellung, daß das Profil der Dame in Mauve hielt was ihre Hüften versprachen. Die Dame strengte ihre orientalischen Mandelaugen an, um die Befriedigung der minutiösen Musterung dieses Ausländers voll auszukosten. Carvalho hatte bei ähnlichen Anlässen schon mehr als einmal bedauert, keine Visitenkarten zu besitzen, auf die man ein, zwei leidenschaftliche Worte kritzelt, um sie dann in die Hand der scheinbar gelangweilten Frau gleiten zu lassen, die von der Mauer der erotischen Konvention unter Verschluß gehalten wird. Eines Tages würde er dieses Experiment wagen. Zu schade, daß er nicht heute daran gedacht hatte.

Er wandte sich nun, frei von psychologischen Einschränkungen, der Lammkeule zu. Gut zubereitetes Fleisch ist in erster Linie ein Berührungsgenuß, der die Höhle des Gaumens erfreut. Die Keule vom Grill ist von der Zubereitungsart her die mit den wenigsten Schnörkeln. Sie besitzt weder die kartoffelfreudige und bohnengarnierte Ungezwungenheit der Keule nach Bauernart, noch das so oft verfälschte Jagdhorngeschmetter der Rehkeule und auch nicht die Naturverbundenheit der Keule mit Spinat. Eine gegrillte Keule ist vor allem anderen ein gut gebratenes und gut gewürztes Stück Fleisch. Nachdem sich die Aromastoffe des Burgunders, gegen die empfindsame Haut des Gaumens geschnalzt, in weingesättigten Dampf verwandelt und Carvalhos Nase durchströmt hatten, wirkte der Wein wie flüssiger Samt und legte sich auf die Wunden, die die Reibung des Fleisches gerissen hatte.  - Manuel Vázquez Montalbán, Carvalho und die tätowierte Leiche. Berlin 2014 (zuerst 1976)

Fleisch

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