laschenpost    Schon bald werde ich diese vollgeschriebenen Blätter in ein leeres Sauerstoffäßchen legen und es über Bord werfen, den Tiefen des Alls übergeben, damit es in die schwarze Ferne enteilt, obwohl ich gar nicht damit rechne, daß es jemand finden wird. Navigare necesse est, aber offenbar höhlt diese maßlose Reise sogar mein Widerstandskraft aus. Ich fliege und fliege seit Jahren, und es ist kein Ende abzusehen. Schlimmer noch, die Zeit verwirrt sich, überschneidet sich, ich dringe in irgendwelche Verzweigungen und Fetzen, die außerhalb des Kalenders stehen, da ist weder Zukunft noch Vergangenheit, obwohl es zuweilen nach Mittelalter riecht. Es gibt eine besondere Methode, sich den Verstand in übermäßiger Einsamkeit zu bewahren, die mein Großvater Kosma erfunden hat. Sie besteht darin, daß man sich eine gewisse Anzahl Gefährten ausdenkt, sogar beiderlei Geschlechts, aber dann muß man sich konsequent an sie halten. Mein Vater hatte die Methode ebenfalls angewendet, obwohl sie ziemlich riskant ist. In der Stille hier verselbständigen sich solche Gefährten übermäßig, es gab Ärger und Komplikationen, einige trachteten mir sogar nach dem Leben, und ich mußte kämpfen, die Kajüte war ein wahres Schlachtfeld - von der Methode jedoch konnte ich nicht lassen, schon aus Loyalität gegenüber dem Großvater. Gott sei Dank, nun sind sie gefallen, und ich kann mich eine Weile ausruhen. - (lem)

Flaschenpost (2) Die Medien echauffierten sich größtenteils an der in ihren Augen obszönen Darstellung von Mann und Frau.

Kosmische Flaschenpost

So machte sich die Chicago Sun-Times sogleich daran, die anstößigen Geschlechtsorgane inklusive Brustwarzen zu retuschieren. Andere Zeitungen gefielen sich darin, den Mann zu einem geschlechtslosen Wesen zu degradieren, sehr zur Freude jener radikaler Feministinnen, die in einem Leserbrief an die New York Times vermeldeten, dass sie über die unvollständige Illustration und passive Haltung der Frau so aufgebracht seien, dass sie am liebsten den rechten Arm des Mannes abhacken würden.

So ziemlich alle denkbaren Kommentare und Stimmen mischten sich in den Chor der entsetzten Sittenrichter und kritikfreudigen Hobby-Wissenschaftler. Mal bemängelten Weiße, die Personen auf der Plakette seien zu weiß, ein anderes Mal warfen Afro-Amerikaner ein, sie sähen zu schwarz aus. In der Los Angeles Times schlug ein Leser ernsthaft vor, auf Geschlechtsorgane des menschlichen Paares ganz zu verzichten und stattdessen einen Storch mit Baby darzustellen. Ein anderer warnte davor, dass Außerirdische die erhobene rechte Hand des Mannes als Hitlergruß fehlinterpretieren könnten. Einige Katholiken schlugen vor, die beiden Personen auf der Plakette mit zum Gebet gefalteten Händen darzustellen.  - Telepolis

Flaschenpost (3)

- Miguel Almagro

Flaschenpost (4) Mozziconi nahm ein Stück Papier, schrieb darauf seinen Gedanken über die ungeraden Zahlen, unterschrieb mit seinem Namen, rollte das Papier zusammen und steckte es in eine leere Flasche, die er im Sand gefunden hatte. Er verschloß sie sorgfältig, versiegelte sie und warf sie dann ins Wasser. Jetzt war Mozziconi von einem Gedanken befreit und fühlte, daß sein Schädel leichter war.

Mozziconi war sehr angetan von seinem Gedanken über die ungeraden Zahlen und fühlte sich erleichten, daß er ihn der Strömung des Tibers anvertraut hatte. Auch Romulus und Remus waren diesem Fluß anvertraut worden und hatten Rom gegründet, das immer noch eine großartige Stadt ist, auch wenn es darin viele Diebe gibt. Moses hatte man dem Wasser des Nils anvertraut, und er hatte sein Volk ins gelobte Land geführt. Die Botschaft in der Flasche würde ins Meer getragen und von dort früher oder später an einen Strand geschwemmt, wo sie früher oder später ein Mensch finden und lesen würde, was in der Folge eine Revolution der Rechnungsmethoden bewirken mußte.

Mozziconi hatte entdeckt, daß er mit der Welt in Kontakt treten konnte, ohne die Anstrengung des Redens auf sich zu nehmen. Er würde das Meer mit Flaschenbotschaften füllen. Längs des Flusses gab es Flaschen in Hülle und Fülle. Wein-, Wasser-, Likör-, Milch-, Bier- und Oelflaschen, nicht nur für Olivenöl, sondern auch für Rapsöl und andere Gifte zum Backen. Es gab große schlanke und gedrungene Flaschen, es gab bauchige und bucklige, dicke und magere, blonde und braune und es gab auch piemontesische Flaschen für teure Weine mit einem hohlen Boden.

Mozziconi sammelte alle leeren Flaschen, die er fand und begann Tag für Tag viele Zettel zu beschreiben in der Überzeugung, daß jemand sie eines Tages lesen werde. - Luigi Malerba, Geschichten vom Ufer Tiber. Frankfurt am Main 1997

 

Brief Flasche Schiffbrüchiger

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme