Flasche, unzerbrechliche   Keawe nahm die Flasche in die Hand und schmetterte sie mehrmals auf die Erde, bis er müde war. Aber sie prallte nur vom Boden ab und sprang hoch wie ein Kinderball und blieb unbeschädigt.

»Das ist ja seltsam«, sagte er, »sie fühlt sich doch an und sieht auch aus, als ob sie aus Glas wäre.«

»Sie ist auch aus Glas«, entgegnete der Mann und seufzte noch tiefer als zuvor. »Aber das Glas ist in den Flammen der Hölle gehärtet. Da sitzt ein Teufel drin. Das ist der Schatten, der sich bewegt; wenigstens nehme ich es an. Jedem, der die Flasche kauft, muß der Teufel gehorchen. Alles, was er sich wünscht — Liebe, Ruhm, Geld, Häuser wie das hier, ja sogar eine ganze Stadt wie die unsere —, ist sein, er braucht nur den Wunsch auszusprechen. Napoleon hat diese Flasche besessen und wurde durch sie zum Weltherrscher, aber zuletzt hat er sie verkauft — und ging unter. Kapitän Cook hatte sie und fand durch sie den Weg zu so vielen Inseln, aber auch er verkaufte sie — und wurde auf Hawaii erschlagen. Denn wenn man sie einmal verkauft hat, schwinden Macht und Beistand. Und wenn man dann nicht zufrieden ist mit dem, was man hat, ergeht es einem schlecht.«

»Und doch wollen Sie selbst die Flasche verkaufen?«

»Ich habe alles, was ich mir wünsche«, entgegnete der Mann, »und werde langsam alt. Eines kann der Teufel nämlich nicht — das Leben kann er nicht verlängern; es wäre nicht recht von mir, Ihnen zu verheimlichen, daß ein Haken dabei ist. Denn wenn ein Mensch stirbt, ehe er sie verkauft hat, muß er für immer in der Hölle brennen.«

»Das ist allerdings zweifellos ein Haken«, rief Keawe. »Mit dem Ding möchte ich nichts zu tun haben. Gott sei Dank kann ich ohne Haus auskommen, aber unter keinen Umständen kann ich mich damit abfinden, auf ewig verdammt zu sein.«

»Du lieber Himmel, Sie müssen nun auch nicht übers Ziel hinausschießen«, entgegnete der Mann. «Sie können ja die Macht des Teufels mit Maßen ausnutzen und die Flasche dann einem anderen verkaufen, wie ich sie jetzt Ihnen verkaufe. Dann leben Sie zuletzt behaglich und sorglos.«

»Nun«, bemerkte Keawe, »dabei fällt mir zweierlei auf. Einmal seufzen Sie die ganze Zeit wie eine verliebte Jungfer, und zweitens verkaufen Sie die Flasche sehr billig.«

»Ich habe Ihnen ja schon gesagt, warum ich seufze«, erwiderte der Mann, »nämlich weil ich fürchte, daß es mit meiner Gesundheit schlecht bestellt ist, und wie Sie selbst sagen, möchte niemand gern sterben und zum Teufel gehen. Und warum ich sie so billig verkaufe, so muß ich Ihnen dazu sagen, daß die Flasche noch eine Eigentümlichkeit hat. Vor langer Zeit, als der Teufel sie auf die Erde brachte, war sie unermeßlich teuer. Zuerst wurde sie für viele Millionen Dollar an den Priester Johannes verkauft. Sie darf aber nur mit Verlust verkauft werden. Wenn Sie denselben Preis dafür nehmen, den Sie bezahlt haben, kehrt sie wie eine Brieftaube zu Ihnen zurück. Daraus folgt, daß der Preis seit Jahrhunderten dauernd gefallen und die Flasche jetzt bemerkenswert billig ist. Ich habe sie von einem meiner großen Nachbarn hier gekauft, und der Preis, den ich dafür bezahlt habe, betrug nur neunzig Dollar. Ich könnte sie für neunundachtzig Dollar und neunundneunzig Cents verkaufen, aber nicht für einen Cent mehr, sonst würde das Ding wieder zu mir zurückkehren. Das hat wieder zwei Nachteile. Erstens, wenn Sie eine so einzigartige Flasche für einige achtzig Dollar verkaufen, so meinen die Leute, man hielte sie zum besten. Und zweitens — aber damit hat es keine Eile, ich brauche darauf jetzt nicht einzugehen. Nur eins müssen Sie bedenken: die Flasche ist nur gegen gemünztes Geld verkäuflich.« - R. L. Stevenson, Der Flaschenteufel

 

Flasche Zerbrechlichkeit

 

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