ingermann   Wenn jemand jemand anders entführen will, darf er nicht den ersten besten entführen. Er muß genau wissen, wen er schnappen will, denn es hat natürlich keinen Sinn, jemanden zu entführen, der hinterher keinen Kies zum Bezahlen hat. Und daraus, wie einer in dieser Stadt aussieht und auftritt, kann sich keiner ein Bild machen, ob der Betreffende wirklich Kies hat, denn viele Leute, die in dicken Automobilen herumsausen und schicke Anzüge tragen und überhaupt den Großkotzigen spielen, sind nichts weiter als Angeber, die keine nennenswerten Moneten haben.

Selbstverständlich ist so einer zum Schnappen denkbar ungeeignet, und die Leute, die auf Entführungen aus sind, können natürlich nicht selber herumgehen und sich nach der Höhe von Bankkonten erkundigen oder nachfragen, wieviel dieser oder jener im Geldschrank hat, denn solche Fragen könnten anderen Leuten leicht auffallen, und hierzulande ist es sehr gefährlich, anderen Leuten wegen irgend etwas aufzufallen. Daher gibt es für Leute, die auf Entführungen aus sind, nur einen einzigen Weg, Persönlichkeiten zu finden, bei denen sich das Entführen lohnt, und der ist, Verbindung mit einem ‹Fingermann› aufzunehmen, wie man in diesen Kreisen jemanden nennt, der auf eine geeignete Persönlichkeit hinweisen kann.

Diesem Fingermann muß bekannt sein, daß die von ihm nachgewiesene Persönlichkeit auch reichlich Bargeld hat, und ihm muß ferner bekannt sein, daß die betreffende Persönlichkeit nicht dazu neigt, allzu großen Krach über ihre Entführung zu schlagen, wie zum Beispiel alles der Polizei zu erzählen. Die betreffende Persönlichkeit kann ruhig eine ehrbare Persönlichkeit sein, wie zum Beispiel ein Geschäftsmann, aber sie muß Gründe dafür haben, die ein Bekanntwerden ihrer Entführung nicht wünschenswert machen, und dem Fingermann müssen diese Gründe bekannt sein. Vielleicht hat der Betreffende nicht gerade einen vorbildlichen Lebenswandel und gibt sich zum Beispiel mit Blondinen ab, wo er doch ein treuliebendes Weib und sieben Kii der zu Hause in Mamaronedc hat, aber keinen Wert darauf leg daß seine Gewohnheiten publik werden, was bei einer Entfülj rung leicht vorkommen kann, besonders wenn er in Gesellschaft einer Blondine entführt wird. Oder manchmal ist die betreffende Persönlichkeit auch eine Persönlichkeit, die sich nicht gern mit Streichhölzern an den Fußsohlen kitzeln läßt, was entführten Persönlichkeiten oft passiert wenn sie ihre Rechnung nicht pünktlich begleichen, denn es gib viele Persönlichkeiten, die sehr empfindlich an den Fußsohle sind, ganz besonders wenn die Streichhölzer brennen. Andererseits kann es sich auch um eine nicht besonders ehrbare Persönlichkeit handeln, wie zum Beispiel jemanden, der illegal Glücksspiele veranstaltet oder eine schicke unerlaubte Spelunke hat oder sonst irgendein anrüchiges Handwerk betreibt, und der auch nicht gerade scharf darauf ist, sich an den Fußsohlen kitzeln zu lassen.

Solch eine Persönlichkeit ist für das Entführungsgeschäft gut geeignet, denn von ihr kann erwartet werden, daß sie ohne viel Gerede bezahlt. Und wenn solch eine Persönlichkeit nach der Entführung die Rechnung pünktlich begleicht, dann wird es als höchst unsittlich erachtet, daß jemand anders sie in absehbare Zeit wieder entführt, und daher ist es unwahrscheinlich, daß si viel Aufhebens von der ganzen Geschichte machen wird. Der Fingermann kriegt fünfundzwanzig Prozent der erlegten Summe als Provision, und jeder geht zufrieden nach Hause, und eini Menge frischer Moneten kommt wieder unter die Leute, was sehr gut für die Wirtschaft ist. - Damon Runyon, Stories vom Broadway. Reinbek bei Hamburg 1963 (rororo 566, zuerst ca. 1935)

 

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