igur  Wenn eine Frau sich ihre Figur erhalten will, dann muß sie sich beschäftigen, arbeiten können. Dann ist sie glücklich, weniger befangen, und dieser Zustand wird sich in ihrer Figur widerspiegeln. Männer mögen tüchtige Frauen. Sie ist frei von der Angst, die sie empfand, als sie wirtschaftlich abhängig war, und folglich besitzt sie auch mehr echte Schönheit.

Man soll arbeiten, dann spielen, sich entspannen, schwimmen, angeln, eine Runde Golf oder Tennis spielen, ins Freie gehen und sich an Luft und Sonne freuen. Und hier möchte ich unterscheiden zwischen Gymnastikübungen und Sport. Gymnastik ist ein Ersatz für Sport. Solche Übungen sind sehr gut, wenn man weder Zeit noch Lust zu etwas anderem hat, doch ich stehe auf dem Standpunkt, daß straffe Gymnastikübungen sich zu den natürlichen Sportarten - wie Schwimmen, Wandern, Reiten - verhalten wie Lebensmittelkonserven zu frischen Erzeugnissen aus dem Garten. Wenn man seinem Körper nichts Besseres bieten kann, dann sind Konditionsübungen brauchbar, wenn man aber eine bezaubernde Figur und Geschmeidigkeit bekommen und auf Dauer behalten will, dann muß man Freude an der Bewegung im Freien, an frischer Luft, an Sport haben.

Was ist denn eigentlich eine schlechte Figur? Das ist eine Figur, die bis in die einzelnen Glieder hinein ängstlich ist. Eine solche Ängstlichkeit in der Haltung kommt daher, daß man seinem Körper nicht gegeben hat, was ihm zusteht. Ein Mädchen, das sich schämt, weil es seine Schulaufgaben nicht gemacht hat, hat denselben Ausdruck wie der Körper einer Frau, die nicht gelernt hat, was Natur ist. - Coco Chanel, nach (barn)

Figur (2) Paris, 15. Januar 1937. Freitag  Mit Hugo Simons und Dreyfus nach Marly zu Maillol, den wir in einem vom Bruder van Dongen ihm zur Verfügung gestellten Atelier an seiner großen Figur für die Ausstellung an der Arbeit fanden, obwohl es schon fast dunkel war. Er sieht frisch aus behauptet aber, sehr übermüdet zu sein und möglichst bald nach Banyuls zu wollen, um sich auszuruhen.

Die große Figur läßt ihn nicht los. Ununterbrochen seit vielen Monaten arbeitet er daran herum, um ihre Massen zueinander in ein immer harmonischeres und überzeugenderes Verhältnis zu bringen. Wenn er an der einen Stelle, zum Beispiel der Schulter, etwas ändere, so sei es von der einen Seite gesehen richtig, von der andren falsch. So müsse er es wieder ändern. So kommt er von kleiner Korrektur zu kleiner Korrektur, langsam sich vorwärts tastend, endlich zum vollen Zusammenklang der Massen. Er ist dabei von unendlicher Geduld und unendlichem Fleiß. Was ihn aber nicht hindert, auf seinen metteur au point zu schimpfen, der ein imbecile sei, der die Massen nicht richtig angesetzt habe; denn wenn er diese genau nach dem Tonmodell gemacht hätte, wäre die Figur längst fertig! Aber seit dreißig Jahren schimpft er über jeden seiner metteurs au point, daß sie ihn im Stich ließen und unendliche Arbeit verursachten. In Wirklichkeit macht ihm gerade dieses Herumkorrigieren an seinen Figuren am meisten Freude.  - Harry Graf Kessler, Tagebücher 1918 bis 1937. Hg. Wolfgang Pfeiffer-Belli. Frankfurt am Main 1982 (it 659)

Figur (3) In den bisweilen Jahrhunderte langen Zwischenräumen, welche die Invasionen der einzelnen BILDER voneinander trennen, ist etwas anderes im Bewußtsein des SYSTEMS. Wenn man sich, so unangemessen es sein mag, vorstellt, daß es auf einer horizontalen Fläche liegt, dann steht in einer Entfernung, die niemand zu berechnen oder zu schätzen wagte, die sogenannte FIGUR. Diese FIGUR läßt sich als Spielkarte beschreiben, die hoch erhoben im höchsten Himmel weüt und auf die das heitere, geometrische Bild eines Königs oder vielleicht einer Dame oder eines Buben oder abwechselnd eines von diesen gezeichnet ist. Sicher ist eines: da die FIGUR allein ist, kann sie nur ein Spiel spielen, das die Existenz dieser einzigen FIGUR voraussetzt. Sie ist nicht nur die Karte, sondern auch ihr eigenes Spiel. Als Spiel ist die Karte heiter, aber auch schweigsam; denn sie denkt immer über das Problem nach, wie sie um sich selbst spielen soll. Da das Problem unlösbar ist - denn eine andere FIGUR gibt es ja nicht -, scheint sich die Pause ewig hinzuziehen, und während dieser Ewigkeit wartet das gesamte SYSTEM. Aber dies Warten darf nicht im wörtlichen Sinn verstanden oder gedeutet werden, denn das SYSTEM ist nicht imstande, die FIGUR der höchsten Höhe anzusehen. Folgendes kann man sich ausdenken: daß die FIGUR, in das Spiel mit sich selbst versunken, eine kümmerliche, zerstreute Säulenheilige ist. öder daß die FIGUR, versunken in die vollkommenen Windungen eines Spiels, das sie allein spielt und kennt und indem sie sich aufbraucht, die geometrische Weisheit ist, die über dem Geschick des SYSTEMS steht, aber weder darüber herrscht noch sich darum kümmert.

Das SYSTEM dürfte wohl wissen, daß sein Friede auf die FIGUR zurückgeht; aber es ist nicht in der Lage, eine Unterredung mit ihr zu führen, noch scheint der FIGUR die Existenz des SYSTEMS bewußt zu sein. Bleibt zu fragen, ob die FIGUR von den BILDERN Kenntnis hat; es sieht nicht so aus, wenngleich das, was die FIGUR weiß oder nicht weiß, seit eh und je Inhalt vergeblicher Mutmaßungen ist. Auf jeden Fall ist die FIGUR kein BILD.  - Giorgio Manganelli, System. In: (irrt)

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