euerprobe Im allgemeinen herrscht bei den Negervölkern die Blutrache und auch das Ordal ist bei ihnen zu finden. Klemm schreibt III, 339: "Kann nun das Gericht die Schuld oder Unschuld einer angeklagten Person nicht ermitteln, so wird ein Ordal veranstaltet, dergleichen wir schon bei den Mongolen fanden. Der Verbrecher muss entweder ein glühendes Eisen angreifen, oder den entblössten Arm in einen Kessel voll siedenden Oeles stecken und einen Schlangenkopf, einen Ring oder sonst etwas herausholen, das man für diesen Zweck hingetan hat. Wenn er sich verbrennt, so ist man überzeugt, dass er das Verbrechen begangen hat. Andere lassen sich mit einer grossen Anzahl Nadeln die Zunge durchstechen, streichen ein glühendes Messer über den Arm und dergleichen mehr. Die Feuerprobe besteht in Angola darin, dass der Beschuldigte eine glühende Kohle in der Hand halten muss, die seine Unschuld erweist, wenn sie keine Spur in der Hand zurücklässt. - (hel)

Feuerprobe (2)  Das Donnergrollen nahte, und es klang, als ob ein mächtiger Sturm einen Wald niederreiße, als hebe er ihn dann wie Gras empor und schleudere ihn krachend einen Hang hinab. Näher und näher kam es; jetzt flammten Blitze auf, Vorboten der sich drehenden Feuersäule schössen Pfeilen gleich durch den rosigen Schein; und jetzt erschien der Rand der Säule selbst. Ayescha wandte sich ihr zu, die Arme ihr zum Gruß entgegenstreckend. Ganz langsam schwebte sie heran und umhüllte sie mit ihren Flammen. Ich sah, wie das Feuer züngelnd ihren Leib emporkroch. Ich sah, wie sie es mit beiden Händen gleich Wasser schöpfte und über ihren Kopf goß. Ich sah den Mund sie öffnen und es tief in ihre Lungen saugen, und es war ein schaurigschönes Bild.

Dann hielt sie inne, streckte ihre Arme aus und stand ganz still, ein himmlisches Lächeln auf ihrem Antlitz, als sei sie selbst der Geist des Feuers.

Die geheimnisvollen Flammen umspielten die Wogen ihrer dunklen Locken, wie goldene Fäden sich durch und um sie windend; sie liebkosten ihre weiße Brust und Schulter, von der das Haar herabgeglitten war; sie strichen über ihren schlanken Hals und ihre zarten Züge und schienen ihre Augen mit überirdischem Glänze zu erfüllen.

Oh, wie war sie schön in dieser Flamme! Kein Engel des Himmels konnte sie an Liebreiz übertreffen. Noch heute stockt mein Herzschlag, wenn ich daran denke, wie sie so dastand, lächelnd über unsere Furcht, und mit Freuden würde ich die Hälfte der auf dieser Erde mir noch zugemessenen Zeit dafür geben, sie noch einmal so zu sehen.

Doch plötzlich - schneller als ich es beschreiben kann - veränderte sich ihre Miene, auf eine Weise, die sich weder schildern noch erklären läßt. Das Lächeln schwand, und ein düsterer, harter Blick trat an seine Stelle; das rundliche Gesicht schien sich zu verzerren, als drücke eine große Angst ihm seinen Stempel auf. Der Glanz in ihren Augen erlosch, ja es schien gar, als schwinde ihrer Gestalt makellose Form und Anmut.

Ich rieb mir die Augen, mich das Opfer einer Sinnestäuschung wähnend, und während ich es tat, entfernte sich die Flammensäule donnernd und kehrte, Ayescha stehenlassend, in den unbekannten Schoß der Welt zurück.

Sobald sie verschwunden war, trat Ayescha wieder ane Leos Seite - ihr Schritt war, wie mir schien, nicht mehr so federnd - und streckte ihre Hand aus, um sie auf seine Schulter zu legen. Ich starrte auf ihren Arm. Wo war seine wundervolle Rundung und Schönheit? Er wurde dünn und dürr, und ihr Gesicht - beim Himmel! - ihr Gesicht alterte vor meinen Augen! Vermutlich sah es Leo ebenfalls, denn er wich einen Schritt zurück.

»Was ist dir, mein Kallikrates?« sagte sie, und ihre Stimme - wo war der tiefe Wohlklang ihrer Stimme? Sie klang fast schrill und kreischend.

»Wie ist mir denn?« sagte sie verwirrt. »Mir ist so schwindlig. Die Eigenschaft des Feuers kann sich doch nicht geändert haben. Ist es möglich, daß das Prinzip des Lebens sich ändert? Sag mir, Kallikrates, was ist mit meinen Augen? Ich kann nicht klar sehen«, und sie hob die Hand und legte sie auf ihr Haar - und o Schrecken aller Schrecken! - es fiel zu Boden.

»Oh, seht! - seht! - seht!« kreischte Job in höchstem Entsetzen, und seine Augen traten ihm fast aus dem Kopf, und Schaum trat auf seine Lippen. »Seht! - seht! - seht! Sie schrumpft zusammen! Sie wird zu einem Affen«, und schäumend und zähneknirschend stürzte er, von einem Krampf gepackt, zu Boden.

Und in der Tat - mir schwinden heute noch, während ich dies niederschreibe, vor dieser gräßlichen Erinnerung die Sinne -, sie begann zu schrumpfen! Die goldene Schlange, die ihre liebliche Gestalt umschlossen hatte, glitt über ihre Hüften und fiel zu Boden; immer kleiner wurde sie; ihre Haut verfärbte sich, und das makellose schimmernde Weiß wurde zum schmutzigen Braun und Gelb eines alten, zerfallenden Pergaments. Sie griff nach ihrem Kopf: die zarte Hand war nur noch eine Klaue, eine menschliche Kralle, wie man sie bei schlecht erhaltenen Mumien sieht; und dann schien ihr bewußt zu werden, welche Veränderung mit ihr vor sich ging, und sie schrie auf - mein Gott, was für ein Schrei! - und wälzte sich schreiend auf dem Boden.

Immer und immer kleiner wurde sie, bis sie nicht mehr größer war als ein Affe. Tausend Runzeln durchzogen ihre Haut, und ihr häßliches Gesicht trug den Stempel unsagbaren Alters. Ich habe dergleichen nie gesehen; kein Mensch auf Erden sah je solch grauenhaftes Alter wie jenes, das ihr Gesicht prägte, das nicht mehr größer war als das eines Säuglings, obgleich der Schädel immer noch die gleiche Größe hatte. - Henry Rider Haggard, Sie. Zürich 1970 (zuerst ca. 1886)

Gottesurteil Feuer
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