Feuer und Wasser  Wir sind zwei königliche Oger, zwei monströse Souveräne, zwei gekrönte Abscheulichkeiten, die nur deshalb von ihrer eigenen Mißgestalt befreit sind, weil mich der Sumpf dazu verführt, gewisse prunkvolle und elegante Spiele zu zelebrieren und stilistisch fesselnde Rollen zu rezitieren; und ich frage mich, ob es auch dem König des Feuers geschieht, daß man ihn auffordert, mit der Lava zu spielen, und ob die Lava um ihn herum kleine wunderbare Festungen oder Pavillons baut, und dazu noch Labyrinthe aus Asche, die den meinen darin gleichen, daß sie weder Anfang noch Ende haben, und auch keinen Schluß, und daß sie Garten, Theater oder heiliger Tempel werden können. Möglich. Er wird aber, dieser König, keine analogen Verhandlungen mit der Macht der Vulkane führen und keine analogen Monologe rezitieren: gewiß, wo mich die allesdurchdringende Wäßrigkeit der Welt bedroht, wird der andere sich der gehorsamen aber schrecklichen Virulenz der Glut erwehren müssen. Ja, die Glut. Spaziert mein Gefährte durch einen nächtlich von glühenden Beeten erleuchteten Garten? Verfolgt er ein brennendes Holzscheit, in dem er eine liebenswerte, geliebte, zu liebende Figur zu erkennen glaubt? Reckt sich die glühende Lava empor, um einen geeigneten Baldachin für seine zermürbenden und lächerlichen Lieben mit dem funkelnden Scheit zu simulieren? Wogt die Asche um sein jahrhundertealtes Haupt, karmesinrote Oriflammen zeichnend, Standarten entfaltend, Wappen einweihend? Mein Freund! Hier verharre ich in der lagunaren Kälte, in den glitschigen Dämpfen, den Schauern eines schlangenartigen Körpers; du bist verdorrt, bronzen, solar; auch deine Nächte glühen, und dein Bett ist aus lauwarmer Asche, fast als wäre ein geliebter Körper in deinen Armen vergangen - verglüht in den milden Flammen jener Gefühle, die deine Feuer dir schenken. Du jedenfalls, ja gerade du, geprägt von deiner ewigen Verbrennung, versengte Seele, Bürgermeister einer rotglühenden Stadt, die sich trotzdem nicht in der Feuersbrunst verzehrt - du, der du Zeiten, Formen und Gewalt des Weltbrands messen kannst, der du das Recht haben wirst, die Welt zu zerstören, du denkst mit Sehnsucht an diesen Rest einer Überschwemmung, die die Welt überflutet hat, diesen wäßrigen, weichen Ort, farblos aber voller Binsen und winziger Tiere, nichts wissend von der Rhetorik des Feuers, der Flammen; du sehnst dich liebend nach dieser eisigen Wehmut, und was mir und auch dir als Kampf, Eroberungskrieg und Zerstörung erscheint, ist nichts anderes als der gegenseitige Wunsch, sei es der Flammen, den feuchten Grund der Zeugung zu berühren, sei es der Feuchte, zu der Glut, der Hitze, dem Brand aufzusteigen, deren alleiniger Gebieter du bist.

Gibt es einen Ort, wo das vereiste Wasser der Lagune von den brennenden Scheiten, die du hineinwirfst, schon kocht? Gibt es einen Ort, wo der Hochofen deiner Vulkane vom schleichenden Eindringen des stinkenden Schlamms zischt und prasselt?  - Giorgio Manganelli, Der endgültige Sumpf. Berlin 1993 (zuerst 1991)

 

 

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