Feuer, himmlisches   Alles war in rotes Licht eingetaucht, durch das nur Baumstämme, Kamine, Häuser in tieftrauriger Blässe hindurchschimmerten. Die wenigen Bäume, die noch belaubt waren, standen gekrümmt und schwarz da, zinnschwarz. Trotz des weiterhin klaren Himmels war das Licht ein wenig schwächer geworden. Aber der Horizont war nähergerückt und versank in Asche. Über dem See lag dichter Dunst, der die außerordentlich trockene Luft etwas erträglicher machte. Der Feuerregen war deutlich zu erkennen, es waren Kupferfäden, die wie zahllose Harfensaiten vibrierten und zwischen denen hier und da kleine Banner flatterten. Schwarze Rauchwolken kündeten von vereinzelten Bränden.

Meine Vögel drohten zu verdursten, und ich mußte ihnen vom Brunnen Wasser heraufholen. Es bestand eine Verbindung zwischen Keller und Wasserbehälter, einer riesigen Zisterne, die dem himmlischen Feuer lange standhalten konnte. Aber durch die Leitungen, die vom Dach und vom Innenhof herabführten, waren einige Kupferkörnchen ins Wasser gelangt, das einen soda- oder harnartigen und leicht salzigen Geschmack angenommen hatte. Um diese Verbindungen nach draußen zu unterbrechen, brauchte ich nur die Steinklappen zu schließen.

An diesem Abend und die ganze Nacht über bot die Stadt einen grauenvollen Anblick. Als das Feuer in die Wohnungen drang, liefen die Leute voller Entsetzen nach draußen, um auf den Straßen und den verlassenen Feldern zu verbrennen. Die Menschen starben einen qualvollen Tod, unter herzzerreißendem, mannigfachem, grauenvollem Wehgeschrei. Es gibt nichts Erhabeneres als die menschliche Stimme. Allenthalben einstürzende Häuser, brennende Waren und Vorräte und schließlich die vielen schwelenden Körper mit ihrem infernalischen Gestank, die die Katastrophe vollkommen machten. Bei Sonnenuntergang war die Luft fast schwarz vor Rauch und Staubwolken. Die Banner, die am Morgen im Kupferregen getanzt hatten, waren jetzt unheilvolle Flammen. Wind kam auf, heiß und zäh wie Teer. Es war wie in einem riesigen, dunklen Ofen. Himmel, Erde, Luft, alles war zu Ende. Es gab nur noch Feuer und Finsternis. Ach, diese schreckliche Finsternis, die das ganze Feuer, das gewaltige Feuer der brennenden Stadt nicht bezwingen konnte! Dieser Gestank nach Lumpen, Schwefel und Leichen, in einer Luft, die so trocken war. daß man Blut spuckte! Und dieses Wehgeschrei, das seltsamerweise nie aufhörte, dieses Wehgeschrei, das das Prasseln der Feuersbrunst, die gewaltiger als ein Orkan war, noch übertönte, dieses Wehgeschrei, in dem alle Tiere in einem unaussprechlichen Grauen der Ewigkeit winselten und brüllten!    - Leopoldo Lugones, Der Feuerregen. In: L. L., Die Salzsäule. Stuttgart 1984 (Die Bibliothek von Babel 15, Hg. Jorge Luis Borges)

 

Feuer Himmel

 

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