ettsack  Er hatte Big Noodle viele Male in seinem Leben gesehen, aber er konnte sich nicht an den Anblick gewöhnen. Überwältigt, obwohl er die Szene vorhergesehen hatte, stand Curt in dem leeren Raum vor dem Podium, starrte hinauf, still und eingeschüchtert wie immer.

»Er ist fett«, sagte Sally sachlich. »Wenn er nicht dünner wird, wird er nicht mehr lange leben.«

Big Noodle hing wie ein grauer, widerlicher Pudding in dem riesigen Sessel, den die Tech-Abteilung eigens für ihn gebaut hatte. Seine Augen waren halb geschlossen; die schwammigen Arme lagen schlaff und unbeweglich seitlich am Körper. Wabbelige Fettpolster hingen in Falten über die Lehnen und Ränder des Sessels. Big Noodles eiförmiger Kopf war rundum mit einem Ring feuchter, klebriger Haare besetzt, matt wie halbverfaulter Seetang. Die Nägel an den Wurstfingern waren kaum noch zu erkennen. Seine Zähne waren verfault und schwarz. Seine winzigen schieferblauen Augen flackerten dumpf, als er Curt und Sally erkannte, aber der unförmige Körper rührte sich nicht.

»Er ruht sich aus«, erklärte Sally. »Er hat gerade gegessen.«

»Hallo«, sagte Curt.

Aus dem verquollenen Mund, zwischen Wülsten rosafleischiger Lippen, kam eine murrende Antwort.

»Um diese Zeit wird er nicht gern gestört«, sagte Sally gähnend. »Ich kann ihn verstehen.«

Sie schlenderte durch den Raum und belebte zum Spaß die Wandlampen an der Wand. Die Metallarme bogen sich und zerrten, um sich aus der Plastikfassung zu befreien, an der sie befestigt waren.

»Das Ganze scheint mir, mit Verlaub gesagt, ziemlich dumm, Mr. Purcell. Die Telepathen hindern terranische Unterwanderer daran, hereinzukommen, und Sie tun nichts anderes, als sie dabei zu stören. Das heißt doch, daß Sie Terra helfen, oder? Wenn wir nicht das Korps hätten, - das auf uns aufpaßt -«

»Ich halte die Terraner draußen«, lallte Big Noodle. »Ich habe meine Wand, und ich wende alles ab.«

»Du wendest Geschosse ab«, sagte Sally, »aber du kannst keine Unterwanderer abhalten. In diesem Moment könnte ein terranischer Unterwanderer hier reinkommen, und du würdest es nicht mal merken. Du bist doch bloß ein großer Haufen Fett.«

Ihre Beschreibung war richtig. Aber der riesige Fettberg war das Kernstück der kolonialen Verteidigung, der talentierteste Psi von allen. Big Noodle war das Herz der Unabhängigkeitsbewegung ... und das lebende Symbol ihrer prekären Lage.

Big Noodle hatte nahezu unendliche parakinetische Kräfte und den Verstand eines Dreijährigen. Er war, genauer gesagt, ein idiot savant. Seine legendäre Kraft hatte seine gesamte Persönlichkeit absorbiert, sie verwelken und degenerieren lassen, statt sie heranzubilden. Vor Jahren hätte er die Kolonie hinwegfegen können, wenn seine körperlichen Gelüste und Ängste mit Gerissenheit gepaart gewesen wären. Aber Big Noodle war hilflos und unbeweglich, völlig abhängig von den Anweisungen der Kolonialregierung, durch seine panische Angst vor Sally zu dumpfer Passivität verdammt.

»Ich habe ein ganzes Schwein gegessen.« Big Noodle mühte sich in eine halb sitzende Position, rülpste, strich sich kraftlos über das Kinn. »Zwei Schweine, genauer gesagt. Hier, in diesem Raum, ist gar nicht lange her. Ich könnte noch mehr haben, wenn ich wollte.«

Der Speiseplan der Kolonialisten bestand hauptsächlich aus in Hydrokultur gezüchtetem, künstlichem Protein. Big Noodle amüsierte sich auf ihre Kosten.

»Das Schwein«, fuhr Big Noodle verächtlich fort, »kam von Terra. Gestern abend habe ich einen ganzen Schwarm Wildenten gegessen. Und davor irgendein Tier von Beteigeuze IV. Es hat keinen Namen; es läuft einfach rum und frißt.«

»Wie du«, sagte Sally. »Nur daß du nicht rumläufst.« - Philip K. Dick, Ein universales Talent. In: Ders., Foster, du bist tot. Sämtliche Erzählungen Bd. 6. Zürich 2001 (zuerst 1954)

Fettsack (2)

- B. Kliban

Fettsack (3)

Sack Fett
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