ernrohr   »Was für ein ulkiges Gefühl! « sagte Alice. »Anscheinend schiebe ich mich jetzt zusammen wie ein Fernrohr. «Und so war es in der Tat: sie war höchstens noch eine Spanne groß, und ihre Miene hellte sich auf, als ihr einfiel, daß sie jetzt durch die kleine Tür paßte, um in den herrlichen Garten zu gelangen. Vorher aber wartete sie noch eine Weile ab, ob sie nicht noch weiter am Schrumpfen war; dieser Gedanke beunruhigte sie etwas, »denn es könnte ja passieren«, sagte sich Alice, «daß ich am Ende völlig ausgehe, wie eine Kerze. Wie ich dann wohl aussähe?« Und sie versuchte sich vorzustellen, wie eine Kerzenflamme aussieht, nachdem sie ausgegangen ist, denn sie konnte sich nicht erinnern, jemals etwas Derartiges gesehen zu haben. - Lewis Carroll, Alice im Wunderland (Insel-Bücherei 896, zuerst 1865)

Fernrohr (2) »Ülkiger und ülkiger!« rief Alice (und in ihrer Überraschung entging ihr, daß man das eigentlich gar nicht sagen kann); »jetzt schiebe ich mich auseinander wie das längste Fernrohr, das es jemals gegeben hat! Lebt wohl, Füße! « (denn als sie nach unten sah, waren ihre Füße schon kaum mehr in Sicht, soweit versanken sie in der Tiefe). »Ihr armen kleinen Füße, wer wird euch jetzt wohl Schuhe und Strümpfe anziehen? Ich jedenfalls kann das bestimmt nicht mehr!

Ich bin bald viel zu weit fort, als daß ich mich um euch noch kümmern könnte; ihr müßt eben sehen, wie ihr allein zurechtkommt - aber ich muß sie freundlich behandeln«, dachte Alice, »sonst gehen sie vielleicht nicht mehr dahin, wohin ich will! Ich habs schon: sie sollen von mir jedes Jahr zu Weihnachten ein Paar neue Stiefel haben.«

Und dann legte sie sich zurecht, wie sie das anfangen würde. »Sie müssen per Boten gesandt werden«, dachte sie; »und wie sonderbar das sein wird, Geschenke an die eigenen Füße zu verschicken! wie seltsam sich die Adresse ausnehmen wird:

An S. Wohlgeb. Den Rechten Fuß von Alice
Teppich beim Ofenschirm
Mit bestem Gruß!

Ach, was rede ich für ungereimtes Zeug!« Und dabei stieß sie auch schon mit dem Kopf gegen die Saaldecke: sie war nämlich nun schon gute drei Meter groß. - Lewis Carroll, Alice im Wunderland (Insel-Bücherei 896, zuerst 1865)

Fernrohr (3)  Oft verwunderte ihn das, was er sah. Ernestina, das Hausmädchen von nebenan, warf Geschirr in den Mülleimer, wenn sie keine Lust zum Abwaschen hatte. Ihre Arbeitgeber, die auf Europareise waren, erwartete bei der Heimkehr ein Schock, nicht nur wegen des dahmgeschmolzenen Bestands an Geschirr und Töpfen, sondern auch wegen der zahlreichen Ratten, die Gefallen an mexikanischem Essen gefunden hatten und im Efeu oder in den Wipfeln der Palmen lauerten und auf ihren Anteil warteten.

Das Teleskop ermöglichte ihm auch den Blick bergab auf die weinberankte Pergola, die das Haus der Cunning-hams mit der Garage verband. Mrs. Cunningham benutzte diesen Durchgang häufig. Ihre Besuche in der Garage waren recht rätselhaft, da sie selbst nicht Auto fuhr, und Mr. Hyatt mußte widerstrebend einräumen, daß Chizzy wohl doch recht hatte mit ihrer Behauptung, Mrs. Cunningham sei eine durstige Seele.

Durch die fedrigen Blätter eines Pfefferbaums konnte man auch ein Stück des Cunninghamschen Swimmingpools sehen. Hier gab Mrs. Cunninghams Sohn Peter häufig Pool-Partys, die sich dadurch auszeichneten, daß seine Gäste nur mit Pfefferbaumblättern bekleidet waren, während Mrs. Cunningham in langen, fließenden Gewändern und breitrandigen Strohhüten zwischen den nackten jungen Männern herumging.

Auf einer Anhöhe jenseits des Cañons stand die mediterrane Villa einer verrückten Puffmutter. Sie hielt sich einen Schwarm weißbekittelter Dienstboten, die sie umflatterten wie zahme Tauben. Hin und wieder trat sie auf einen der Balkone und winkte der Welt zu. Mr. Hyatt winkte immer zurück, obschon er bezweifelte, daß man ihn sehen konnte. - Margaret Millar, Banshee die Todesfee.  Zürich 1987 (zuerst 1983)

Fernrohr (4)  Heute habe ich mit einem englischen Tubus, der 120 Reichsthaler kostet in einem entlegenen Hauß die Zärtlichkeit eines Cammermädchens und eines Bedienten beobachtet, der Auftritt schien dem Ackteur mehr als 120 Thaler werth zu seyn. Der Kerl lag wahrlich einmal auf den Knien ich konte ihn gantz übersehen aber seine Hand konte ich nicht finden, glaube ich, und wenn mein Tubus 500 gekostet hätte. Die Scene war sehenswerth.

Heute regnet es den gantzen Tag entsezlich. Unter meinem Fenster blüht ein Apricosen Baum. Ich habe eine Schwalbe gesehen. Ich habe etwas Kopfschmerzen. Dieser Absatz klingt fast als wenn man Phrases in einer Grammaire liest, also geschwind nach der Grammaire.    Je suis le votre.  - Lichtenberg an Johann Christian Dieterich, nach (mehr)

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