ensterladen
Katzenberger war ein Mann von vielen Grundsätzen, worunter er einen
hatte, den zarte Seelen, welche die menschliche, von keiner sichtbaren Gegenwart
gemilderte Schärfe der Urteile über taube Abwesende schwer ertragen, ihm nicht
so leicht nachbefolgen konnten, nämlich den, zu - horchen und zu luken. Darum
erklärte er besonders Fenster-Läden der Erdgeschosse für die besten Operngucker
und Hörmaschinen, die er nur kenne; und sagte, solche Läden schlössen etwas
wohl dem Räuber, aber nichts dem Herzen zu - und man schaue nie ruhiger und
schärfer in Haushaltungen als durch zarte Ritzen, entweder in einen offnen Himmel
oder offnen Schaden, und er wisse dieses aperturae Jus oder diese servitus luminum
et prospectus, kurz diese Licht-Anstalt mit nichts zu vergleichen als mit Totenbeschau
und Leichenöffnung; nie sei er von solchen Fensterläden weggegangen, ohne irgendeinen
Gewinn davonzutragen, entweder eines Schmähwortes auf ihn oder sonst einer Offenherzigkeit.
- (
katz
)
Fensterladen (2) Plötzlich blies ein besonders heftiger Windstoß die Läden des Fensters zu seiner Linken auf, und ein kalter Regenschauer ergoß sich nach innen. Mit einem ärgerlichen Ausruf beugte sich Richter Di nach außen und griff nach den hin und her schwingenden Läden, um sie zu schließen. Aber da hielt er wie gelähmt inne.
Das Fenster in der Wand des gegenüberliegenden Gebäudes stand offen; über
einen Zwischenraum von zwei Metern hinweg blickte er ins Innere eines schwachbeleuchteten
Raumes. Er sah den breiten Rücken eines Mannes, der einen enganliegenden, eisengrauen
Helm trug und versuchte, eine nackte Frau zu umarmen. Sie bedeckte ihr Gesicht
mit ihrem rechten Arm, und da, wo der linke hätte sein sollen, war nur ein verstümmelter
Stumpf. Der Mann ließ sie los, worauf sie gegen die Wand zurücktaumelte. In
diesem Augenblick entriß der Wind die Haken der Läden den Händen des Richters
Di, so daß die Läden dicht vor seinem Gesicht zuschlugen. Mit einem Fluch stieß
er sie wieder auf, aber nun sah er nichts als einen dunklen Regenschleier. -
Robert van Gulik, Nächtlicher Spuk im Mönchskloster. Zürich 1990
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