arbe  Seit je ist die Farbe psychologischen und moralischen Anspielungen ausgesetzt. Man liebt eine Farbe, man hat seine Farbe. Die Farbe ist entweder durch den Umstand, den Brauch, die soziale Rolle vorgezeichnet, oder sie gehört zu bestimmten Stoffen: zum Holz, zum Leder, zum Leinen, zum Papier. Jedenfalls wird sie durch die Form abgegrenzt, sie ist hinsichtlich der anderen Farben nicht unverträglich und stellt keinen Wert an sich dar. Die Tradition spricht den Farben eine innere Signifikation zu und läßt sie durch Linien begrenzen. Selbst in der lockereren Formgebung der Mode reicht ihr Sinn weit über sie hinaus: Sie ist sinnbildlicher Ausdruck kulturell festgelegter Signifikationen. Aus der anspruchslosesten Sicht betrachtet, geht die Farbensymbolik im Psychologischen auf: das leidenschaftliche, aggressive Rot, Blau als Zeichen der Ruhe, das Gelb der Zuversicht, und so fort. So schließt sich die Sprache der Farben an die der Blumen, der Träume und der Tierkreiszeichen an.

In dieser traditionellen Periode hat man die Farbe als solche verworfen, ihren vollen Wert bestritten. Das bürgerliche Interieur schränkt sie übrigens meist auf diskrete »Töne« und »Nuancen« ein. Alle diese grauen, beige-, granat- und malvenfarbigen Tönungen, die zu Samt, Seide, Satin und anderen Stoffen gehören und reichlich an Vorhängen, Gardinen, Wandteppichen, Tapeten und an gediegenen Stoffen und Stilformen benützt worden sind, beweisen deutlich die moralische Zurückweisung sowohl der Farbe als auch des Raumes. Vor allem aber der Farbe: Zu aufdringlich wird sie eine Bedrohung der Innerlichkeit. Die Welt der Farben steht in Opposition zur Welt der Werte, und durch das »Elegante« wird stets der Schein zugunsten des Seins verdrängt. »Schreiende« Farben sind »Anrufer«. Ein rotes Gewand läßt den Träger mehr als nackt sein, ein pures Objekt, aller Innerlichkeit entblößt. Mit dem sozialen Status der Frau als eines Objekts hängt es zusammen, daß die Damenkonfektion besonders gern schreiende Farben bevorzugt. Schwarz, weiß, grau, die als Nullpunkte der Farbe gelten können, sind eben auch Zeichen der Würde, der Verdrängung und der Moral. - (baud)

Farbe (2) Alles, was von gleicher Farbe ist, nimmt denselben Ausgang. Jemand, der im Traum einen Äthiopier als Geschenk bekam, erhielt am Tag darauf einen Behälter voll Kohlen. - (art)

Farbe (3) Ich habe die Natur kopieren wollen, es gelang mir nicht, von welcher Seite ich sie auch nahm. Aber ich war mit mir zufrieden, als ich endeckt hatte, daß man sie durch etwas anderes repräsentieren muß, durch die Farbe als solche. Man muß die Natur nicht reproduzieren, sondern repräsentieren. Wodurch? Durch gestaltende farbige Äquivalente. Es gibt nur einen Weg, alles wiederzugeben, alles zu übersetzen: die Farbe. Die Farbe ist biologisch, möchte ich sagen, sie macht allein die Dinge lebendig. - Paul Cézanne, nach: Walter Hess (Hg.): dokumente zum verständnis der modernen malerei. Reinbek bei Hamburg 1964 (rde 19)

Farbe (4)  Die Abbildung der Luft: warmes Glas. Der Abend - tiefer. Rostig. Farrenrot. - wehrlosbrombeerbraundornstein-dunkel -; schwarz -. Überhaupt Farben! Hört nur das Meer - wie soll man das halten. im ersten Duft seines Schichtens frühmorgens das Blaue: das tiefe Sechskaufmannsblau, das quellmannsblau, noch etwas feiner das quellmannskindblau, das quadrantenblau dann die zarteren perlvaterblau, perlmutter- und perlmütterblau und das allergeringste das perlkindblau - oder das sandelschwarz, das irish bloo, spangrün, kreuzrot speisgelb, apatitgrün, pistaciengrün, ponceaurot, karmelopardälbraun, rosaapophyllisch - - genug., ich kann Euch stundenlang so schreiben...  - Hans Jürgen von der Wense, Von Aas bis Zylinder, Bd. I. Frankfurt am Main 2005

Farbe (5)  Vier Farben gibt es im großen und ganzen unter den Menschen: weiß, gelb, rot und schwarz. Von diesen sind Weiß und Gelb streitsüchtig, Schwarz und Rot sanftmütig ... und wir sehen, wie die Dinge verlaufen. Die Indianer haben nie eine Entdeckerfahrt oder einen Heereszug in andere Erdteile unternommen: sie blieben in ihren Jagdgründen, bemalten sich fromm das Angesicht und beteten zu dem großen Geist. Und sie haben das Tabakrauchen erfunden, welches die größte aller Erfindungen ist und der einzige wirkliche Kulturfortschritt seit Anbeginn der Zeit. Mit diesen ihren Tabakpfeifen saßen sie um das Herdfeuer des Friedens und wollten nichts Böses; und sind deshalb von den Vorfahren des Mister Wilson ausgerottet worden bis auf einen lächerlichen Rest. Die Neger haben nie versucht, andere Völker zu unterwerfen oder zu bekehren. Sie molken ihre Kühe, spielten auf der langen Trommel und schnitzten jene Holzfiguren, deren einfältige Kraft Herr Archipenko jetzt vergebens nachzuahmen sucht.  Und weil sie so sanftmütig waren, sind sie von den höher gesitteten Nationen pfundweise auf dem Markt verkauft und im Weigerungsfalle mit Nilpferdpeitschen behandelt worden. Denn es muß so sein, daß die Friedfertigen vertilgt werden und die Straßenräuber bleiben... Und dann werden auf der hübsch ausgeräumten Erdkugel der Weiße und der Gelbe übrig sein, jeder mit dem Messer zwischen den Zähnen; und in aller Ruhe und Gründlichkeit wird man zu der endgültigen Metzelei schreiten können. - Victor Auburtin, nach (enc)

Farbe (6)  Der oberflächliche Eindruck der Farbe kann sich zu einem Erlebnis entwickeln. — Der elementaren Wirkung entspringt eine tiefergehende, die eine Gemütserschütterung verursacht. — In einer Art Echo kommen andere Gebiete des Seelischen zum Mitklingen. Stark fühlende Menschen sind wie gut gespielte Geigen, welche bei jeder Berührung mit dem Bogen in allen Teilen und Fasern vibrieren. Bei der Annahme dieser Erklärung muß das Sehen mit allen anderen Sinnen in Zusammenhang stehen. Das ist auch der Fall. Manche Farben können stechend aussehen, wogegen andere wieder als etwas Glattes, Samtiges empfunden werden, so daß man sie gern streicheln möchte. Selbst der Unterschied zwischen Kalt und Warm des Farbtons beruht auf solchen Zusammenhängen. Es gibt ebenso Farben, die weich erscheinen, oder andere, die stets als harte vorkommen, so daß die frisch aus der Tube gepreßte Farbe als trocken empfunden wird. Der Ausdruck <duftende Farben> ist allgemein gebräuchlich. — Erhöhtes Gelb klingt wie in die Hohe gebrachter Fanfarenton. — Die Farbe ist ein Mittel, einen direkten Einfluß auf die Seele auszuüben. Die Farbe ist die Taste. Das Auge ist der Hammer. Die Seele ist das Klavier mit vielen Saiten. Der Künstler ist die Hand, die durch diese oder jene Taste die Seele in Vibration bringt.   - Wassily Kandinsky, nach: Walter Hess (Hg.), Dokumente zum Verständnis der modernen Malerei. Reinbek bei Hamburg 1964 (rde 19)
 

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